Erzählungen von der Eroberung Spaniens (German Edition)
»und Gottes Zorn treffe den, der einen bessern Mann, als er selbst ist, zu Grund gerichtet hat.«
Ohne ein anderes Wort hören zu lassen, begab er sich, eine Beute der verzehrenden Schwermuth, auf den Berg Deran. Bald darauf erhielt er Kunde von dem Tode seiner zwei Söhne, welche er als Statthalter des westlichen Afrika’s zurückgelassen hatte, und die als Opfer des eifersüchtigen Argwohns des Kalifen gefallen waren. Sein vorgerücktes Alter konnte diesen wiederholten Schlägen nicht widerstehen; er vermogte den gänzlichen Untergang seines vor Kurzem noch so glänzenden Stammes nicht zu überleben und sank in sein Grab, kummerbeladen und gebrochenen Herzens.
Das war das beklagenswerthe Ende des Eroberers von Spanien, dessen große Thaten nicht hinreichten, um in den Augen seines Gebieters eine Schwäche zu sühnen, welcher jeder Ruhmsüchtige unterworfen ist, und dessen Siege zuletzt Verfolgung über ihn und frühzeitigen Tod über seine Kinder brachten.
Hier endigt die Erzählung von der Unterjochung Spaniens.
Erzählung vom Grafen Julian und seiner Familie.
In den vorstehenden Erzählungen ist die wahre Geschichte des Unglücks von Spanien nach ihren düsteren Zügen dargestellt worden. Es ist dies eine Geschichte voll gesunder Moral; sie tadelt die Ungebühr des menschlichen Stolzes und die Eitelkeit des menschlichen Ehrgeizes und zeigt die Hinfälligkeit aller Größe, so fern diese nicht auf Tugend fest begründet ist. Wir haben gesehen, wie in einem sehr kurzen Zeitraume die meisten Helden dieses historischen Dramas, einer nach dem andern, von der Schaubühne verschwanden, und wie Besieger und Besiegte mit einander in das düstere, ruhmlose Grab hinabstiegen. Wir schließen nun diese begebnißreiche Geschichte damit, daß wir den Lesern, gleichsam als eine Warnungstafel, das Schicksal des Verräthers vorhalten, dessen schmachvolle Rache das Verderben über sein Vaterland gebracht hat.
Der Nachrichten von dem Schicksale des Grafen Julian und seiner Familie sind in den alten Chroniken viele und mannichfaltige zu finden, und zahlreich sind die Sagen, welche über diesen Gegenstand noch heut zu Tage unter dem spanischen Volke gäng und gebe sind und in jenen unzählbaren Romanzen fortleben, welche der Landmann und der Maulthiertreiber singt, und die einen so namenlosen Reiz über das Ganze dieses romantischen Landes verbreiten.
Wer Spanien in der echten Weise durchwandert hat, wie dieses Land durchwandert werden muß; – wer in seinen entlegenen Provinzen sich aufgehalten, die wilden Bergpässe und die stillen Gebirgsthälchen durchzogen und sich mit dem Volke in den von den Straßen entfernten Dörfern und selten besuchten Gegenden bekannt gemacht hat, wird sich mancher Gruppe von Reisenden und Maulthiertreibern erinnern, welche sich am Abend um die Thüre oder den geräumigen Kamin einer Bergventa versammelten, in ihre braunen Mäntel gehüllt und mit ernster, tiefer Stille der langen geschichtlichen Romanze irgend eines Bänkelsängers lauschend, welche er entweder mit wahrem
ore rotundo
und den harmonischen Cadenzen der spanischen Aussprache vortrug oder zu dem Klimpern der Guitarre sang. – Auf diese Weise wird er das klägliche Ende des Grafen Julian und seiner Familie in sagenhaften Reimen erzählen gehört haben, welche sich von Geschlecht zu Geschlecht fortgepflanzt haben. Die Einzelnheiten in Bezug auf folgende wundersame Erzählung jedoch sind aus den Schriften des Pseudo-Mauren Rasis genommen. Es ist unmöglich, nun als sicher herzustellen, ob sie wirklich als historische Thatsachen betrachtet werden können; wir müssen uns daher begnügen, wenn sie den Anforderungen poetischer Gerechtigkeit entsprechen.
Bis jetzt war für Grafen Julian noch Alles glücklich ausgefallen. Er hatte seine Rache befriedigt; er war in seinem Verrathe mit Erfolg gekrönt worden, und hatte zahllose Schätze aus dem Sturze seines Vaterlandes gezogen. Aber das äußere Glück bedingt das innere Wohlergehen nicht. Der Baum trägt oft Früchte und Laub, und doch fault und verwittert er in seinem innersten Mark.
Wohin Graf Julian kam, las er in jedem Auge Haß und Abscheu. Die Christen fluchten ihm als der Ursache aller ihrer Leiden, die Moslemen verachteten ihn und mißtrauten ihm als einem Verräther. Die Männer flüsterten mit einander, wenn er sich näherte, und dann wandten sie sich verächtlich weg; die Mütter entrissen ihm ihre Kinder mit Schauder, wenn er sie liebkosen wollte. Er brach zusammen unter dem
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