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Es blieb nur ein rotes Segel

Es blieb nur ein rotes Segel

Titel: Es blieb nur ein rotes Segel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Kriegsmüdigkeit.
    Fast vier Millionen Verluste – und kein Brot, keine Milch, kein Fleisch, kein Gemüse, kein Korn. Gott, du hast Rußland verlassen.
    Jetzt helfen wir uns selbst!
    »Nun ist es soweit«, sagte Mustin zu Matilda. Sie saßen im Stroitskypalais, über die Straße am Jekaterinskjij-Kanal wälzte sich seit Stunden der Demonstrationszug, schallten die Sprechchöre, wurde auch irgendwo geschossen, lag Feuerschimmer im kalten grauen Winterhimmel.
    Vor einem Sturm der Roten auf ihr Palais waren sie zur Zeit sicher. Der Kammerdiener, mit dem Rosalia Antonowna seit ihrem Einzug ins Palais in nimmermüdem Kampf gestanden hatte, was zu beider Lebensinhalt geworden war, erschien am Morgen des 24. Februar im Frühstückssalon und servierte wie immer Tee, Gebäck, Marmelade und Honig. Das einzig Neue war, daß er eine breite rote Armbinde trug. Er sagte, wie immer würdevoll:
    »Keine Sorge, Matilda Felixowna, es wird Ihnen nichts geschehen. Das Haus steht unter dem Schutz des revolutionären Exekutiv-Komitees.«
    Um das zu zeigen, zog man an der Haustür eine rote Fahne auf.
    Die Köchin demonstrierte am Nachmittag mit, nachdem sie erst das Essen gebracht hatte und versprach, am Abend rechtzeitig für das Mahl wieder da zu sein.
    »Wenn das unsere Rosalia erlebt hätte!« meinte Mustin traurig. »Sie wäre vorweg marschiert mit einer roten Fahne. Ich gehe morgen zum Grab und erzähle ihr alles …«
    Am 28. Februar 1917 erschien, in Zivil, ein Zarenadjutant im Stroitskypalais.
    Man wollte ihn zunächst nicht einlassen, aber als er sich auswies und der revolutionäre Kammerdiener sich davon überzeugt hatte, daß es kein Spion der Bolschewiki war, durfte er zu Matilda. Es war ein junger Major, der zu den wenigen noch Zarentreuen gehörte und das Winterpalais bewachte.
    Er brachte eine Depesche von Nikolaus II., die an Matilda gerichtet war. Der Zar hatte telegrafiert:
    »Schlimme Dinge bahnen sich an! Du mußt unverzüglich Rußland verlassen! Packe nur das notwendigste. Im Morgengrauen wird eine Kalesche vor Deinem Haus warten. Geh jetzt! Ich befehle es Dir! Niki.«
    »Jetzt fahre ich«, sagte Matilda und gab das Telegramm an Mustin weiter. »Wenn er es befiehlt, gehorche ich. Er hat noch nie zu mir gesagt: Ich befehle es! – Mustin, laß unsere Sachen packen.«
    »Ich bleibe«, sagte Urasalin. »Was soll ein Zwerg in Paris? Ein alter, häßlicher Zwerg? Ich halte Wache, Matilduschka. Ich passe auf dein Haus auf. Wenn du nach Petersburg – oder wie sonst es später heißen wird – zurückkommst, soll alles so sein, wie du es verlassen hast. Unsere Zeit lernt, schnell zu leben. Veränderungen finden im Schnellzugtempo statt. Es wird nicht lange dauern, bis du zurückkommen kannst, in ein neues Rußland. Matilda Felixowna ist zeitlos … wie die Musik, nach der sie tanzt. Wer auch in Rußland einmal regieren wird, – die Felixowna wird er als Königin des Tanzes anerkennen. Darauf warte ich, mein Täubchen, das bin ich auch Rosalia schuldig. Ich halte hier Wache für dich …«
    Die ganze Nacht über wurde gepackt und ausgepackt. Was man mitnehmen konnte, war gering … Matilda ließ alles zurück bis auf ein Bild ihrer Mutter in einem Silberrahmen, ein Bild von Boris Davidowitsch, seinen Brief, in dem er – vor vier Jahren – geschrieben hatte: »Ich werde dich ewig lieben, über den Tod hinaus, noch aus den Himmelshöhen!« und das letzte Telegramm des Zaren. Dazu packte sie etwas Wäsche für die lange Reise … das Haus bei San Remo an der Riviera war voll eingerichtet, man brauchte aus Rußland nichts mitzunehmen als das Heimweh …
    Im fernen Mogilew, Hunderte von Kilometern entfernt, begriff Nikolaus II. nur langsam die Tragweite der Revolution. Die Zarin schrieb mit Kurierpost: »Wir werden belästigt von einer Bewegung von Gesindel, Gassenjungen und dummen Mädchen, die die Unruhen zu steigern suchen, indem sie schreien, sie hätten kein Brot. Du hast Deine Güte so oft gezeigt, jetzt ist es an der Zeit, sie Deine Faust fühlen zu lassen. Die Russen brauchen das!«
    Und Nikolaus telegrafierte sofort zurück: »Du hast ganz recht, aber es ist durchaus nicht nötig, die Zähne jeden Augenblick nach rechts und nach links zu zeigen.«
    Es ist die Tragik seines Lebens, daß er noch immer an sein Volk glaubte, an seine Soldaten, an seine Bauern, an seine Handwerker, an Menschen, denen er nur Gutes wollte. Daß seine Minister genau das Gegenteil taten, hat er nie begriffen, – daß alle Schuld jetzt auf

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