Es darf auch mal Champagner sein
Bücherstützen. Am liebsten hätte ich ein Tischtuch über sie geworfen und vier Stühle um sie herumgestellt. Aber ich sah sie nett an und lächelte: »Also Sie haben das andere gekauft!«
Mein Mann knurrte: »Meine Herren, das nenn ich ehrlich!«
Danke!
Einer meiner immer wiederkehrenden Albträume ist der, in dem mein Sohn den Nobelpreis für Physik bekommt. Wenn der Preis überreicht ist, dreht er sich um und sieht alle Zuschauer begeistert klatschen. Endlich verstummt der Applaus, und es entsteht eine Stille, die mindestens ein Jahrhundert dauert.
Ich kann es nicht aushalten. Ich krieche auf allen vieren zum Podium, zupfe an seinem Hosenbein und flüstere: »Sag danke!« Er ist fünfundfünfzig.
Für eine Mutter ist »danke« der Gipfel der Wohlerzogenheit. Es fördert den Kreislauf, ist schick, überspielt zerrissene Unterwäsche, verknotete Schuhbänder und Hundehaare auf dem Pullover. Es bringt das härteste Gemüt zum Schmelzen, entkrampft den starrsten Benimm-Apostel.
Für ein Kind ist »danke« die Zauberformel, auf die hin die Mutter die Plätzchendose ein zweites Mal öffnet.
Wenn ich so zurückdenke, kommt es mir vor, als hätten meine Kinder immer unter Hypnose gestanden, starr wie ein Hydrant auf der Straße, bis ich den entscheidenden Satz gesprochen hatte: »Wie sagt man denn?« Dann reagierten sie - mit so viel innerer Beteiligung wie die Marionette an der Schnur - und sagten danke.
Nie bekam ich sie so weit, das Wort richtig anzuwenden.
Sie sagten danke, wenn eine Freundin sie an einer halb aufgegessenen Eiswaffel lecken ließ.
Sie blieben stumm, wenn ihnen ihre Großmutter zum Geburtstag einen Scheck überreichte. Sie sagten danke für eine Scherbe aus dem Glas der Windschutzscheibe, für einen alten Hundezahn; aber sie verstummten, wenn jemand sie während eines Schneesturms im Auto zur Bücherei mitnahm.
Die Erfahrung mit dem »danke« mag ja ein Symbol für die Sinnlosigkeit allen menschlichen Strebens sein, aber ich kenne keine Mutter auf der ganzen Welt, die in diesem Punkt klein beigäbe. Alle bleiben zäh und beharrlich. Erst kürzlich fragte ich meinen Sohn: »Hast du Frau Biehler eigentlich je für die Plastik-Ente gedankt?«
»Aber Mama, das ist doch dreiundzwanzig Jahre her.«
»Ja, aber sie weiß sicher immer noch nicht, ob sie dir gefallen hat.«
»Hab ich sie nicht damals aufgefressen oder so was?«
»Wahrscheinlich hast du Tante Maria auch nie für den Atlas gedankt, den sie dir zum Abitur geschenkt hat.«
»Wie kommst du plötzlich darauf?«
»Weil ich müde und erschöpft bin und mit der Kindererziehung gern aufhören würde.«
Er nahm den Telefonhörer, wählte und sagte nach einer Weile: »Aha. Ja. Vielen Dank.«
Ich strahlte. »Siehst du, es war gar nicht so schwer, nicht? Mit wem hast du denn gesprochen?«
Er zuckte die Achseln. »Mit einem Anrufbeantworter. Es ist mir so herausgerutscht.«
Souvenirs, Souvenirs
Es kommt selten vor, dass ich Artikel aus der Zeitung ausschneide. Diesen aber habe ich nur so herausgefetzt und meinem Mann laut vorgelesen.
»Hör dir das mal an! Die Besucher des Grand Canyon verbringen dort durchschnittlich vier Stunden, wovon sie aber nur zwanzig Minuten in die Schlucht hinabblicken. Und dreimal darfst du raten, wo sie die übrige Zeit verbringen?«
»In der Schlange vor den Toiletten?«, fragte er.
»Nein«, rief ich triumphierend. »Sie kaufen Mitbringsel und Andenken.«
Und seitdem hoffe ich, dass jetzt bald Schluss ist mit den langen Tiraden meines Mannes über dieses Thema. Er behauptet, ich gehe morgens aus dem Hotel, schnüffele in die Luft, sage: es riecht nach Andenkenläden - und verschwinde dann für drei Tage.
Er verzeiht es mir nie, dass wir mal in New York im UNO-Gebäude waren und nicht genügend Zeit dafür hatten. Wir konnten also entweder den Sicherheitsrat über die Kriegsgefahr im Mittleren Osten debattieren hören oder im Andenkenladen die reizenden hölzernen Serviettenringe aus Kenia kaufen.
Und nun mal im Ernst: Entzückende hölzerne Serviettenringe aus Kenia sind etwas, das man abends in den Fernsehnachrichten nicht zu sehen bekommt.
Das Schlimme an den Männern ist, dass sie Sehenswürdigkeiten so besichtigen, als gälte es, sich auf ein Quiz vorzubereiten. Mein Mann bleibt stehen und liest Wort für Wort, was auf Gedenktafeln oder Inschriften steht. Er drückt auch immer auf den Knopf der Tonbandgeräte, die einem erklären, was man gerade besichtigt, und er entschuldigt sich bei der
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