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Es geschah im Nachbarhaus - die Geschichte eines gefährlichen Verdachts und einer Freundschaft

Es geschah im Nachbarhaus - die Geschichte eines gefährlichen Verdachts und einer Freundschaft

Titel: Es geschah im Nachbarhaus - die Geschichte eines gefährlichen Verdachts und einer Freundschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena
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warfen bereits lange Schatten und spendeten einen Hauch von Kühle an diesem Hochsommertag. Die Waldhoffs wollten nicht zum Fest. Bernd Waldhoff hatte noch im Jahre vorher den Kopf des Vogels heruntergeschossen und einen Preis gewonnen. Doch er scheute die Blicke, die verletzenden Fragen, die verlegene Unsicherheit der alten Bekannten. Ruth hatte so lange gebettelt, bis sie die Erlaubnis bekam mit Frau Scheldis hinaufzugehen. Vor dem Festsaal hielt Theo III. eine kurze Rede, die sich ebenfalls auf die gewählten Farben bezog. Bei Rot hatte er es mit der Liebe, doch meinte er vor allem das gute nachbarliche Miteinander im Städtchen. Die Deutung von Weiß, die man gerade aus seinem Mund gern vernommen hätte, ging allerdings in den Klängen des Einzugsmarsches unter. »Alte Kameraden« fuhr in die Beine. Theo marschierte voran. Weit öffneten sich die Flügeltüren des Saales, und ein allgemeines »Ah« und »Oh« würdigte die Mühe, mit der man diesem sonst etwas tristen Tanzboden ein festliches Aussehen verliehen hatte. Über die Wände wallten rot-weiße Stoffbahnen. Lediglich die Stirnseite des Saales, die ein kolossales Gemälde der Schlacht im Teutoburger Wald darbot, war – wohl weil das Rot im dahinströmenden Blut der römischen Legionen und das Weiß in den Blondschöpfen urwüchsiger Germanen genügend vertreten war – ohne weiteren Schmuck geblieben.
    Ruth hatte Gerd bald gefunden. Zum ersten Male nahm sie seinen Arm. Die neugierigen Blicke der Frauen, ja selbst die Pfiffe aus den Reihen der Jungschützen machten ihr nichts aus.
    Sie spürte, wie Gerd sich über das Aufsehen ärgerte. Da lachte sie ihm zu und sagte: »Lass sie, Gerd. Warum sollen sie sich nicht mit uns freuen?« Sie fanden einen Platz nahe der Tanzfläche. An dem langen Tisch saßen Leute aus der Nachbarschaft. Die meisten waren ihnen gut bekannt. Fritz Stappen hockte mit einer ganzen Schar junger Männer am Ende des Tisches.
    »Kennst du den Junggesellenverein dort?«, fragte Ruth.
    Doch Gerd hatte die jungen Männer noch nie gesehen. »Vielleicht hat Fritz seine Kameraden vom Militär eingeladen.«
    Die Älteren hielten sich mehr im Hintergrund. Der Bürgermeister wurde nach einem Tusch begrüßt. Er war in ein Gespräch mit Herrn Pfingsten verwickelt. Seine Frau stieß ihn an und machte ihn darauf aufmerksam, dass das Wort an ihn gerichtet war. Er erhob sich und winkte seinen Bürgern zu. »Und jetzt, meine sehr verehrten Damen und Herren, erfolgt die große Überraschung des Abends.«
    Der diensthabende Offizier der Schützen trat in die Mitte des Saales. »Ich darf Sie alle bitten, fest die Augen zu schließen und Ruhe zu bewahren.«
    »Wie feierlich«, spottete Ruth, doch als sie sah, dass Gerd dem Befehl nachkam, legte sie gehorsam die Hand über die Augen. Es kam ihr ziemlich lang vor. Doch da erklangen die ersten Takte des Kaiserwalzers. Die Gäste sprangen auf. Das war nicht die Bruderschaftskapelle, das hörte Ruth schon am ersten Takt. »Soldaten!«, rief sie. Der Offizier gab der Kapelle ein Zeichen. Der Walzer brach ab.
    »Wir begrüßen die Militärkapelle des 27. Infanterieregimentes aus der nahen Garnison mit einem dreifachen …«
    Und aus allen Kehlen schallte es: »Hurra, hurra, hurra!« Der Kapellmeister drehte sich um, knallte die Hacken gegeneinander und deutete eine Verbeugung an. Schon ging es weiter, Takt siebzehn des Kaiserwalzers. »Wunderbar«, schwärmte Ruth und drehte sich mit Gerd im Kreise, bis ihr Kringel vor den Augen schwammen und sie sein Gesicht nicht mehr erkennen konnte.
    Sie tanzte nur mit Gerd. Keinen Tanz ließen sie aus. Schließlich beschwerte sich Paul Heikens, der ihr in den kurzen Tanzpausen gegenübersaß: »Du kennst wohl nur noch einen einzigen Tänzer, Ruth, was?«
    »Das kann schon sein«, antwortete sie.
    Gerd schmunzelte. »Verliebt sein macht blind für unsere Schönheit.«
    »Muss Liebe schön sein.«
    »Junges Glück!«
    »Vorsicht, nicht stören!«, so flogen die Neckereien zu den beiden herüber.
    Gerd stand auf, lachte und antwortete: »Ihr platzt doch wohl nicht vor Neid, was?«
    Er wandte sich bereits wieder der Tanzfläche zu, da rief Fritz Stappen ihm nach: »Du meinst wohl, wir seien neidisch auf deine Jüdin?« Die ganze Schar am Ende des Tisches grölte auf.
    Gerd schoss das Blut in den Kopf. Ruth merkte es und hielt seinen Arm fest. »Lass doch die dummen Jungen reden, Gerd«, flüsterte sie ihm zu. Doch mit einem Male war die Freude an diesem Fest getrübt. Die Musik

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