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Es geschah im Nachbarhaus - die Geschichte eines gefährlichen Verdachts und einer Freundschaft

Es geschah im Nachbarhaus - die Geschichte eines gefährlichen Verdachts und einer Freundschaft

Titel: Es geschah im Nachbarhaus - die Geschichte eines gefährlichen Verdachts und einer Freundschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena
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spielte so wie seit Stunden schon, die Tanzschritte waren dieselben. Gerd hielt sie in seinem Arm. Nichts hatte sich geändert. Doch Ruth überlief es kalt inmitten der schwitzenden und stampfenden Menge. Sie tanzte weiter, ja, sie wünschte, die Soldaten würden nie mehr aufhören zu spielen. Sie fürchtete sich vor der Rückkehr an ihren Tisch.
    »Lass uns ein wenig vor die Tür gehen, Gerd.«
    Sie drehten sich in die Nähe des Ausganges und traten auf den Schützenplatz. Die Nacht war mondhell.
    »Ist dir nicht gut?«, fragte Gerd besorgt.
    »Doch, Gerd, sehr gut ist mir.« Sie berührte ihn mit der Schulter.
    Wenn er doch jetzt mit mir fortginge, dachte sie.
    Er fasste sie fest, und sie schlenderten aus dem Lichtschein des Saales der Allee zu. Eine Weile spazierten sie den düsteren Weg entlang, da drehte Gerd sich zu ihr, umschlang sie hart und presste sein Gesicht gegen das ihre. Sie spürte die Kraft in seinen Armen, ihre Finger tasteten nach seinem Gesicht. Sie lachte, ein wenig außer Atem. Er ließ sie plötzlich los, nahm sie bei der Hand und sprang die niedrige Böschung der Allee hinauf. Sie ließ sich hinaufziehen, doch kaum waren sie ein, zwei Schritt durch das Gras gegangen, da fuhren zwei Schatten auseinander, und eine erregte Männerstimme schimpfte: »Verduftet, aber schnell!«
    »Komm zurück«, bat Ruth. Als Gerd zögerte, wiederholte sie: »Bitte, Gerd, komm zurück.« Ihr fiel Frau Scheldis ein. Sicher würde sie bereits unruhig nach ihnen Ausschau halten. Verstimmt und brummig ging Gerd neben ihr her. Die Musik machte gerade eine Pause. Frau Scheldis winkte zu Ruth hinüber. Ein wenig besorgt, warf Ruth einen Blick in die Junggesellenecke. Doch schien die Aufmerksamkeit jetzt anderen Dingen zu gelten. Sie steckten die Köpfe zusammen und hatten wohl Wichtiges zu bereden.
    »Willst du noch ein Bier?«, fragte Gerd.
    »Lieber ein Glas Saft, Gerd.«
    Er bestellte Bier und Saft.
    »Warum bist du ärgerlich?«, fragte sie ihn und strich über seine Hand. Er blickte sie an, vorwurfsvoll erst, doch dann zog sich ein Lächeln um seine Augen.
    »Bären sind manchmal dumm, weißt du. Denk nicht mehr daran.«
    Sie freute sich. Der Kellner brachte die Getränke. Während Gerd bezahlte, rollte eine locker geknüllte, kleine Papierkugel neben ihr Glas. Sie griff danach und spähte nach dem Absender. Doch niemand schaute zu ihr herüber. Verwundert faltete sie das Papierchen auseinander und strich es glatt. Doch gleich darauf bedeckte sie hastig die hingekritzelte Schrift mit der flachen Hand.
    »Macht es Spaß mit dem Judenbiest?«, stand da geschrieben. Sie presste den Zettel zusammen und wischte ihn auf den Boden. Ohne aufzusehen, spürte sie die harten Blicke vom anderen Ende des Tisches auf ihrer Haut. Der Trompeter schmetterte ein Signal.
    »Damenwahl«, rief der Kapellmeister.
    Ruth sprang auf. Sie spürte ein Zittern in ihren Knien. »Darf ich bitten?«, murmelte sie. Steif und mechanisch ließ sie sich durch die tanzenden Paare schieben. Plötzlich brach der Walzer mitten im Takt ab.
    »Partnerwechsel!«, kommandierte der Kapellmeister.
    Gerd verbeugte sich und wandte sich der dicken Frau Gebel zu. Mit ihr versuchte er den Walzer linksherum. Paul Heikens drängte sich zu Ruth durch. »Siehst du, einen Tanz musst du mir schon erlauben.«
    »Warum denn nicht?« Ruth versuchte ein kleines Lachen.
    »Du bist so ernst, Ruth. Ist dir eine Laus über die Leber gelaufen?«
    Ruth schwieg. Was sollte sie auch sagen?
    »Es ist schon nicht angenehm für euch, wie sie alle über euch reden.« Ruth wäre am liebsten auf ihren Platz zurückgegangen. Hielte Paul doch nur seinen Mund! »Der Mehlbaum will dich sogar gesehen haben, wie du den Jean im Sack in die Scheune getragen hast.«
    »Sei still davon, Paul. Ich will den ganzen Unsinn heute Abend vergessen.«
    Die Kapelle schwieg wieder. Paul bedankte sich und ging davon. Ruth schaute sich um. Die neuen Paare schienen sich bereits alle gefunden zu haben. Vor ihr stand Josef Beutler, der mit ihr in der Schule gewesen war. Josef kehrte Ruth den Rücken zu und reckte den Hals. Die Musik setzte wieder ein. Ruth berührte ihn und fragte: »Vielleicht nimmst du mit mir vorlieb?«
    Er drehte sich um, lachte sie an und sagte: »Warum denn in die Ferne schweifen?« Wild drehte er Ruth einmal, zweimal im Kreise. Dann ließ er sie los.
    »Moment mal«, stieß er hervor. Alle Freundlichkeit fiel von ihm ab. Er fixierte sie und sagte hochnäsig: »Bist du nicht eine Jüdin?

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