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Es geschah im Nachbarhaus - die Geschichte eines gefährlichen Verdachts und einer Freundschaft

Es geschah im Nachbarhaus - die Geschichte eines gefährlichen Verdachts und einer Freundschaft

Titel: Es geschah im Nachbarhaus - die Geschichte eines gefährlichen Verdachts und einer Freundschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena
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Dreigens.
    »Unter einer Decke stecken sie mit den Juden.« Huymann blies den Bierschaum vom Glas und nahm einen Schluck. Dann fuhr er fort: »Wir müssten selbst etwas unternehmen, damit die endlich wach werden.«
    »Aber da ist doch der Kriminalkommissar aus Düsseldorf«, sagte Kohl.
    »Ach, hör mir auf mit dem!« Mehlbaum wurde wütend. »Wie der mich behandelt hat! Als ob ich der letzte Dreck wäre. Haargenau habe ich ihm alles erzählt, was ich gesehen habe und so. Dann hat er ‘ne Menge dämlicher Fragen gestellt, ob ich vielleicht Brillenträger wäre, ob ich die Ruth – stellt euch das vor –, ob ich sie genau kenne, wollte er wissen. Und den Kräfting erst, den hat er vielleicht dazwischengenommen, kann ich euch sagen. Wo er es gesehen hat, ob er den Jungen genau erkannt hat …«
    »Wobei du ja wohl zugeben musst«, unterbrach ihn Kohl, »dass es wirklich nicht so leicht ist, sich auf jede Kleinigkeit zu besinnen. Denn schließlich wusste Kräfting an dem Morgen ja gar nicht, dass der Jean schon ein paar Stunden später tot sein würde. Wer achtet denn schon genau auf ein Kind, das ins Haus geholt wird, he?«
    »Das mag ja alles sein. Aber der Kräfting hat es eben gesehen und erinnert sich zum Glück genau. Er ist sogar zu Sellers gegangen und hat sich ein Stück von dem Stoff zeigen lassen, aus dem Frau Seller dem Kind die Schürze genäht hatte, die es an dem Tag trug.«
    »Na und?«
    »Es war genau der Stoff, den Kräfting gesehen hat!«, stieß Mehlbaum hervor.
    »Na, na.« Kohl war noch nicht ganz überzeugt.
    »Das Tollste kommt noch«, ereiferte sich Mehlbaum. »Der Kriminale hat den Kräfting sogar gefragt, ob er vielleicht an dem Feiertag blau gewesen sei. Blau! Um zehn, elf Uhr!« Mehlbaum war entrüstet.
    Der Wirt trug eine neue Runde herbei und mischte sich ein: »Genau das wollte er auch von mir wissen. Er hat sich den einen Schnaps, den der Kräfting hier gekippt hat, sogar in sein schwarzes Buch geschrieben. Einen Schnaps!«
    »Dabei kann der Kräfting ‘nen ganzen Eimer voll vertragen, ohne aus den Schuhen zu stolpern«, sagte Huymann. Der musste es wissen, denn er hatte schon manchmal sein Fassungsvermögen mit dem von Kräfting gemessen.
    »Ne, ne«, Dreigens schüttelte den Kopf. »Wenn wir uns nicht selber helfen, dann geschieht rein gar nichts. Der Kriminalkommissar aus Düsseldorf, der ist nicht der Richtige. Was kann aus Düsseldorf schon Gutes kommen?«
    Meister Kohl feuerte das Gespräch wieder an: »Wenn man die Zeitungen liest, dann bekommt man ja einen Schrecken, wie unsere Stadt schlechtgemacht wird.«
    »Alles nur wegen der paar Juden!«
    »Ich sprach vorige Woche den Giesel, der im Reichstag sitzt«, berichtete Dreigens. »Er sagt, ganz Berlin kennt unsere Stadt. Die größte Zeitung dort hätte in dicken Buchstaben auf der ersten Seite stehen gehabt: ›Was ist mit der Justiz los?‹«
    »Es ist eine Schande«, sagte Mehlbaum.
    »Was ich überhaupt nicht verstehe«, Dreigens beugte sich vor und tuschelte es über den Tisch weg, damit niemand über den Stammtisch hinaus ihn hören konnte, »was ich überhaupt nicht verstehe, das ist die Meinung der Kirche.« Kohl runzelte die Stirn. Seine Rendantenwürde ließ es nicht zu, dass jemand in seiner Gegenwart etwas gegen die Kirche äußerte.
    »Ich will dir ja nichts, Kohl«, begütigte Dreigens. »Dass aber der Kaplan am Sonntag da noch von Mäßigung und Nächstenliebe gepredigt hat und jeder mit dem Krückstock fühlen konnte, was er meinte, das ist ein Skandal!«
    »Lass doch, Paul, er ist ein junger Heißsporn. Der ist ja erst zwei Jahre hier«, meinte Kohl. »Außerdem war ich Zeuge, als der Herr Dechant ihn zurückgepfiffen hat. Es stehe einem Geistlichen wohl nicht gut an, für die ungläubigen Juden, denen ja schließlich das Blut des Herrn an den Fingern klebe, öffentlich Partei zu ergreifen.«
    »Und was hat der Kaplan darauf geantwortet?«
    »Er befinde sich mit seiner Meinung in guter Gesellschaft vieler Kirchenlehrer, Päpste und Heiliger. Und der Herr Dechant darauf: ›Lesen Sie gefälligst Ihren Chrysostomus!‹«
    »Sollte mich nicht wundern«, vermutete Huymann, »wenn der junge Herr Kaplan sich bald in einer Pfarrei am Ende der Welt wiederfindet.«
    Zwei jüngere Männer traten an den Stammtisch. Sie hörten eine Weile zu. Dann sagte der eine: »Ihr redet und redet. Aber was tut ihr denn? Was unternehmt ihr denn?« Er schürzte geringschätzig die Lippen.
    »Ihr solltet heute bei der Arbeit sein«,

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