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Es geschah im Nachbarhaus - die Geschichte eines gefährlichen Verdachts und einer Freundschaft

Es geschah im Nachbarhaus - die Geschichte eines gefährlichen Verdachts und einer Freundschaft

Titel: Es geschah im Nachbarhaus - die Geschichte eines gefährlichen Verdachts und einer Freundschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena
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tadelte Huymann. »Als wir noch so jung waren …«
    »Es ist das alte Lied, Hermann. Komm, die tun ja doch nichts.«
    »Und ihr, was tut ihr?«, rief Mehlbaum ihnen nach.
    »Ihr werdet es schon merken. Wartet es nur ab«, antwortete der eine. »Hat es euch gestern nicht schon ganz gut geschmeckt?«
    »Schnösel!«, sagte Mehlbaum. Doch Dreigens meinte: »Lass man, Georg, die Jungen, die sind schon richtig! Was suchen die Juden hier in unserem Vaterland? Sollen sie doch hingehen, wo sie hergekommen sind. Sie machen hier nur gute Geschäfte und leben in Saus und Braus. Ne, ne, die Jungen sind schon richtig.« Wie richtig sie waren, sollte sich zwölf Stunden später bereits zeigen.
    Auf dem Heimweg fragte Kohl seinen Freund Huymann: »Warum eigentlich hat Mehlbaum so einen Hass auf den Bernhard Waldhoff? Kannst du dir das erklären?«
    »Hass? Ist es wirklich Hass? Mehlbaum ist ein Schwätzer. Mit Waldhoff macht er sich interessant. Mehlbaum hier, Mehlbaum da, das hört er gern.«
    »Vielleicht hast du recht«, stimmte Kohl zu.
    Sigi lag im ersten Schlaf, als Lärm und Gepolter ihn erschrocken wach werden ließen. Er blieb steif unter der Zudecke liegen. Was war das? Hatte er nur geträumt? Er träumte so oft in diesen Nächten. Immer jagte irgendwer hinter ihm her. Seine Beine waren dann lahm und schwer wie Eisen. Er kam nicht schnell genug weg. Meist fiel und fiel er in unermessliche Tiefen, bis er aus dem Schlaf herausgefallen war. Aber diesmal? Da, es schlug gegen die Haustür. Das war kein Traum. Sigi sprang aus dem Bett. Er spähte durch das Fenster. Er sah aber den Stein nicht fliegen, der die Scheibe zertrümmerte. Glassplitter klirrten ins Zimmer. Hart schlug der Kiesel auf den Boden. Sigi sprang zur Seite. Deutlicher hörte er nun, was auf der Straße vor sich ging. Mit dem Rücken presste er sich neben dem Fenster gegen die Wand. Hier konnten sie ihn nicht treffen.
    »Los, macht dem Juden ein wenig frische Luft«, rief eine Stimme frech. Steine prallten gegen die Hauswand, Scheiben zersplitterten. Beinahe zugleich sprangen die drei restlichen Gläser aus dem Fensterrahmen in Sigis Zimmer. Ein schwerer Brocken traf die Sprosse des Rahmens. Sie zerbarst. Sigis Hände zitterten. Er drückte sie flach gegen die Wand.
    »Ist sicher gar keiner zu Hause, was?«, rief die Stimme wieder. »Los, werft gegen die Tür.«
    Donnergepolter drang durch das Haus. Die Ladenschelle schepperte leise. Die Erschütterungen brachten sie zum Klingen. Sigi rührte sich nicht von der Stelle. Da wurde die Tür aufgerissen. Es war Mutter. Sie hatte sich den schwarzen Schal übergeworfen.
    »Sigi, Junge, ist dir etwas geschehen?«
    »Nein, Mutter, schnell zur Seite. Sie werfen!«
    Aber Frau Waldhoff wollte ihn nicht hören und eilte quer durch das Zimmer auf ihn zu. Da traf der Stein sie mitten vor die Stirn. Sie schwankte, hielt sich an der Bettlade, schleppte sich dann aber die paar Schritte zu Sigi hinüber an die schützende Wand. Über die Treppe hörten sie Waldhoff nach unten stapfen.
    »Mutter, wo bist du?«, schrie Ruth durch das Haus.
    »Bleib, wo du bist, Sigi«, befahl Mutter. »Hier kann dir nichts geschehen.«
    Sie lief nun nicht mehr in der Wurfrichtung der Steine, sondern schlich an der Wand entlang. Der Mondschein fiel ihr ins Gesicht.
    Sigi sah das Blut auf ihrer Stirn. Sie schlüpfte durch die Tür. Er rannte hinter ihr her. »Mutter, du blutest!«
    Draußen hatte man seinen Schrei wohl gehört. Jubel war die Antwort. Härter prasselten die Steine gegen die Tür und schlugen durch die Fenster in die Zimmer. »Bleib, wo du bist!«, befahl die Mutter. »Es ist nur eine Schramme.« Das Blut in Mutters Gesicht machte den Jungen ganz wirr. Statt den Schutz der Wand zu suchen, riss er das zerborstene Fensterholz auf, beugte sich weit aus der Öffnung und schrie: »Werft mich doch, ihr gemeines Pack, werft mich doch!«
    »Er will eine Rede halten, hört mal«, rief es von unten.
    »Ihr gemeines Pack! Ihr gemeines Pack!« Sigis Stimme überschlug sich.
    »Der junge Hahn versucht das Krähen.« Lachen und Lärm.
    Da riss die Mutter den Jungen zurück. Sie stieß ihn gegen die Wand.
    »Dummkopf!«, sagte sie zornig. Doch gleich darauf schloss sie ihn in die Arme. »Dummkopf!«, sagte sie noch einmal. Doch diesmal klang es, als wollte sie ihn trösten. Unten wurde es stiller. Kein Stein flog mehr. Stimmenlärm und Schritte verklangen.
    »Hermann war dabei und Mehlbaum«, schluchzte Sigi. »Ich habe sie im Mondlicht genau

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