Es geschah in einer Regennacht
führte
hinauf. An der Wand begleiteten die Gemälde von Stufe zu Stufe.
Öme nahm sie vorsichtig ab. Es
dauerte eine Weile, bis er sie im Rucksack verstaut hatte. Immerhin hatte er
jetzt ruhige Hände. Sein Puls raste nicht mehr. Stattdessen spürte er eine
leichte Übelkeit im Magen. Er ging ins Terrassenzimmer zurück und knipste die
Lampe aus.
Draußen rauschte der Regen. Er
war wieder heftiger geworden.
Öme rückte den Rucksack
zurecht, den er eigens gekauft hatte für sein Vorhaben: ein großes Format, ein
Tourenrucksack, in den die acht — nun in Tücher gehüllten — Gemälde
hineinpassen mussten. Ihm, Öme, schien es, als spüre er jedes Einzelne auf seinem
knochigen Rücken. Ein sattes Gewicht.
Er trat zur Tür. Sie war weit
geöffnet. Er raffte die Gardine beiseite. Kühler Wind strich herein.
Und über den Rasen kam, geduckt
und rasch, eine dunkle Gestalt.
Für einen Moment setzte Ömes
Herzschlag aus, die Knie wackelten. Im trockenen Mund lag die Zunge wie Blei,
lähmende Angst füllte ihn bis in die zitternden Hände.
Wer ist das? Was will der? Hat
er mich beobachtet? Ein Nachbar, der jetzt den Helden spielt? Oder...?
Der Mann — es war eindeutig ein
Mann, und er war von imponierender Größe — kam zur Terrasse. Er war dunkel
gekleidet, der Kopf von der Kapuze umhüllt, umschnürt — das Gesicht nur ein
fahlgrauer Klecks.
Ömes rechte Hand umklammerte
den Gummihammer.
Der Kapuzenmann hatte jetzt die
Terrasse erreicht und verharrte so plötzlich, als werde er aufgehalten von
einer unsichtbaren Wand. Zweifellos hatte er in dieser Sekunde die
aufgebrochene Tür entdeckt. Stocksteif stand er, den Kopf vorgereckt. Und Öme
begriff, was das bedeutete. Der Typ war überrascht.
Dann hat er mich nicht
beobachtet, schoss es Öme durch den Kopf. Nicht meinetwegen kommt er,
sondern... Was zum Teufel will er hier? Nach dem Rechten sehen? Guatsch! Der
ist über den Zaun gestiegen wie ich. Denn dort hinten ist keine Pforte. Etwa
ein... ein Einbrecher? Ein echter! Ein Profi!
Der Kapuzenmann zögerte. Kam
aber zu dem Schluss, dass die Situation nicht mehr heiß sei, dass der oder die
Einbrecher schon abgezogen waren. Trotzdem blieb er vorsichtig, hielt ein
längliches Werkzeug in der rechten Hand und etwas, das ein Beutel sein konnte,
in der linken.
Er kam herein. Glassplitter
knackten, als er darauf trat. Er glitt an Öme vorbei, der im stockfinsteren
Raum seitlich neben der Tür stand.
Und Öme wuchs über sich hinaus.
Alle Kraft, zu der er fähig war, lag in dem Schlag. Der schwere Gummihammer
wurde geschwungen wie eine Keule. Die Regenjacke knisterte, aber das Geräusch
kam als Warnung zu spät.
Öme hatte gezielt, so gut es im
Dunkeln möglich war. Er traf, wie sich später herausstellte, mit voller Wucht
das Genick. Und die Folgen waren dramatischer als beabsichtigt.
Ohne einen Laut stürzte der
Mann zu Boden. Dabei polterte sein Werkzeug auf das Parkett.
Stille. Nur der Regen.
Öme glaubte, er müsse sich
übergeben. Sein Impuls war, hinauszufliehen. Aber er blieb stehen, atmete mit
offenem Mund und nestelte die Taschenlampe hervor.
Der enge Lichtkegel glitt über
den Hingestreckten. Er lag bäuchlings mit ausgebreiteten Armen. Sein Werkzeug
schimmerte im Licht, ein kurzes Stemmeisen, offenbar nagelneu, zum Teil rot
lackiert. Vorn, wo es lanzenförmig zulief, klebte noch das Preisschild vom
Heimwerkermarkt.
Stemmeisen! Aha! Tatsächlich
ein Einbrecher. Der Beutel neben der linken Hand erwies sich als schwarzer,
faltbarer Leinensack, in dem der Weihnachtsmann Geschenke für mindestens
zwanzig artige Kinder hätte unterbringen können.
Der wollte aber abräumen! Öme
knirschte vor Wut mit den Zähnen. Nicht bei meiner Angela, Dreckskerl!
Er bückte sich, klemmte den
Gummihammer unter die Achsel, fasste den Typen an der Schulter und drehte ihn
um. Nicht in Rückenlage, aber so weit, dass er das Gesicht sehen konnte.
Es war der zweite Schock an
diesem Abend. Und für einen Moment zweifelte Öme an seinem Verstand.
Vor ihm lag — Harald Riemer.
Das kantige Gesicht seines
Rivalen war bleich. Er hielt die Augen halb geschlossen. Öme starrte ihn an und
suchte verzweifelt nach einem Merkmal, das nicht zu Riemer gehört. Irgendeinen
Hinweis darauf, dass er sich irrte, dass ihn nur eine Typähnlichkeit narrte.
Aber da war nichts. Kein Irrtum. Vor ihm lag Riemer. Und er sah aus wie tot.
Gedankenfetzen wirbelten in
Ömes Kopf, wirr, ohne Ergebnis.
Riemer atmete nicht.
Oder doch? Schwach?
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