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Es grünt so grün

Es grünt so grün

Titel: Es grünt so grün Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ward Moore
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der linken Hand erledigen könnte. Ich wünschte, diese Zyniker hätten die Gelegenheit gehabt, die komplizierten Berechnungen und Bilanzen meines verschachtelten Imperiums kennenzulernen. Wir in verantwortlicher Position, und ich am meisten von allen, waren ständig in Alarmbereitschaft und in jeder Sekunde auf sofortige Entscheidungen und persönliche Befassung mit einer Unmenge von Details vorbereitet.
72.

    Bei einem meiner Flüge nach Kopenhagen holte mich Winifred anstatt des Generals am Flughafen ab. „General T ist so von der Rolle“, erklärte sie in ihrer munteren Art, „daß ich an seiner Stelle kommen mußte.
    Aber vielleicht hätte ich Pauline schicken sollen?“
    Ich versicherte ihr, daß ich mich freute, sie zu sehen und äußerte meine Sorge um ihren Vater.
    „Ach, eigentlich ist er es überhaupt nicht“, sagte sie. „Es ist Mama. Sie ist wegen Joe beunruhigt.“
    Ich senkte meine Stimme mitfühlend und äußerte meine Überraschung, daß Mrs. Thario von Kummer übermannt war und ich zu einem solchen Zeitpunkt besser nicht in ihr Heim eindrang.
    „Puh!“ widersprach Winifred. „Mama weiß nicht, was Kummer ist, sie ist einfach erfreut, daß Joe einen Custer abgibt, aber sie sorgt sich schrecklich um seine Musik.“
    „Wieso?“ fragte ich. „Sie meinen, um sie zur Aufführung zu bringen?“
    „Aufführung, ach was! Sie will sie unterdrücken. Daß eine lange Familiengeschichte von Generälen und Admirälen mit einem Komponisten endet, ist für sie eine Schande, die kaum wiedergutzumachen ist. Das zehrt an ihrem Verstand. Der arme alte Stuart ist jetzt zu Hause und liest ihr ausgewählte Passagen aus Theodore Roosevelts Die Eroberung des Westens vor, um ihre Nerven zu beruhigen.“
    Ich hatte einige Befürchtungen gehabt, Mama wiederzusehen, aber Winifreds Schilderung schien zu meiner Beruhigung zu bedeuten, daß sie ans Bett oder doch zumindest an ihr Zimmer gefesselt war. Um so betrüblicher fand ich es, daß sie bequem in einem Lehnsessel neben einem hell flackernden Feuer saß, den General neben sich mit einem Buch in der Hand. Er begrüßte mich mit gewohnter Herzlichkeit. „Albert, es tut mir leid, daß ich nicht zum Flughafen kommen konnte.“
    Ich schüttelte seine Hand und wandte mich an seine Frau. „Zu meinem Bedauern muß ich erfahren, daß Sie indisponiert sind, Mrs. Thario.“
    „Verschonen Sie mich mit Ihren verdammten Krokodilstränen. Wo ist mein Sohn?“
    „In seinem letzten Brief deutete er an, in unserem Land bleiben zu wollen, solange es existierte; es ist jedoch möglich, ja sogar wahrscheinlich, daß er entkommen ist. Wir wollen die Hoffnung nicht aufgeben, Mrs. Thario.“
    „Mit diesem verdammten Gewäsch füttert man junge Soldaten, keine Veteranen.
    Mein Sohn ist tot. In der Schlacht gestorben. Genau wie mein Großvater bei Chancellorsville. Halten Sie mich für ein wimmerndes Heimchen, das den Verlust eines Sohns auf dem Schlachtfeld beweint?“
    Stuart Thario legte die Hand auf ihren Arm. „Ruhig … dein Blutdruck … keine Aufregung.“
    „Nicht bei der kämpfenden Truppe“, sagte Mama und verfiel in Schweigen.
    Wir hatten ein sehr unbehagliches Abendessen, bei dem wir wegen der Anwesenheit der Damen keine geschäftlichen Dinge besprechen konnten. Nachdem der General und ich uns mit unserem Kaffee zurückgezogen hatten – zu Hause trank er nicht, daher vermißte ich die Klarheit, die stets auftrat, wenn er seiner Schwäche nachgab –, waren wir in Daten und Berechnungen vertieft, als Winifred uns hastig herbeirief.
    „General, Mr. Weener, schnell! Mama …“
    Wir eilten in den Wohnraum. Ich erwartete, Mama ohnmächtig oder sogar von einem Schlaganfall getroffen vorzufinden. Aber sie stand aufrecht vor dem Kamin, einen gezückten Kavalleriesäbel in der Hand. Offenbar war es ein Familienerbstück, denn am Handschutz baumelte die goldene Quaste der Armee der Vereinigten Staaten, und auf der Klinge waren kleine Rostflecken, aber dennoch wirkte er sehr gefährlich, als sie ihn warnend gegen uns schwang. In ihrer anderen Hand erkannte ich das umfangreiche Manuskript von George Tharios Erster Sinfonie, die sie Blatt für Blatt verbrannte.
    „So ein verdammter Hochstapler“, sagte sie. „So ein verdammter Hochstapler.“
    „Harriet“, protestierte der General, „Harriet, bitte … das Werk des Jungen … einziges Exemplar …“
    Sie warf ein weiteres Blatt ins Feuer. „… Hochstapler …“
    „Harriet …“ Er ging auf sie zu, aber sie trieb ihn

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