Es grünt so grün
einmal ereilt, hat letzte Woche in das kultbesessene, filmproduzierende Los Angeles Einzug gehalten. Die Metropole des Südwestens (Bev. 3 012 910) starb ohne Anmut und Würde, als ihr Blut langsam versickerte. Was blieb, war eine Hülse: der Downtown-Bezirk, Vororte und die Strände im Süden und Osten, aber Seele, Herz und Hirn, Lunge und Leber waren entfernt; Jonah-gleich verschlungen vom Vorrücken des entsetzlichen Bermudagras’ (TIME vom 10. Aug.). Immer noch auf seinem Posten war W. (für William) R. (für Rufus) Le ffaçasé (L’Fassessee ausgesprochen), der wortgewaltige, belesene Herausgeber des Los Angeles Intelligencer. Der Intelligencer wollte Nachrichten verbreiten, bis die letzte Druckmaschine stillstand. Unter denen, die vor Ort blieben, war Le ffaçasés Spitzenreporter Jacson C. (für Crayman) Gootes, 28. Gootes’ ständiger Puls: das Herz des bedrohlichen Grases, in dem er seinen Tod fand.“
In der Sektion „Religion“ veröffentlichte Time eine weitere Notiz über das Unkraut. „Beängstigte Angelinos, in Schrecken versetzt durch das alles verschlingende Cynodon daetylon (TIME vom 10. Aug.), das ihre Stadt überzieht (siehe auch: Inland), wurden noch länger geplagt, als sie ihre Radios soweit diese noch funktionierten – einschalteten. Der nasale, unheilverkündende Baß des Predigers, der sich Bruder Paul nennt (sein tatsächlicher Name: Algennon Knight Mood) kündigte einen Zweiten Advent an. Das geschah im Herzen des würgenden Grases. Was der drittgrößten Stadt des Landes Tod und Verderben brachte, verhieß den Jüngern Bruder Pauls Hoffnung und Seligkeit.
,Verkauft alles, was ihr habt’, wies der Radiosprecher sie an, ‚flieht zu eurem Retter, der seine Anhänger in diesem Augenblick genau in der Mitte des Grases um sich schart. Fürchtet euch nicht, denn er wird euch stützen und Labsal bieten in dem Dickicht, das für den Unerlösten undurchdringlich bleibt’. Nach letzten Nachrichten sind ungezählte Jünger gewaltsam von der Selbstvernichtung im Cynodon dactylon abgehalten worden, während zahllose andere voll inbrünstiger Freude ihrer Glückseligkeit entgegengegangen sind. Einer, so heißt es, hat sich seinem Retter noch nicht angeschlossen: Bruder Paul.“
Und unter „Namen“: „Auf die Empfängerlisten der Sozialfürsorge von San Diego County kamen diese Woche Adam Dinkman samt Gattin. Der Rasen ihres Vorgartens (TIME vom 3. Aug.) war der Ausgangspunkt der Grasplage. Mrs. Dinkman meinte: ‚Die Regierung müßte zahlen …’ Und Adam Dinkman: ‚Eine schreckliche Sache’…“
Ich beschloß, den Dinkmans etwas Geld zu schicken, sobald ich es erübrigen konnte. Ich machte eine diesbezügliche Eintragung in mein Notizbuch und spürte dabei die Glut der Opferbereitschaft, dann ging ich hinaus und bestieg meinen Wagen. Die gedruckten Fakten und Daten über das Unkraut hatte ich schon verdaut, aber um für so einen kritischen Herausgeber wie W. R. Le ffaçasé zu schreiben, war es schon notwendig, sich noch einmal die körperliche Präsenz des Grases vor Augen zu führen.
Ich fuhr durch den Tunnel der Second Street zum Beverly Boulevard hinaus. Dort, einige Meilen von den am weitesten vorgerückten Ausläufern des Grases, lag die Gewißheit seines Kommens wie eine einhüllende Decke über dem unnatürlich stillen Stadtteil. Auf meiner Straßenseite war überhaupt kein Verkehr, und nur ein paar ächzende Klapperkisten, mit Bettzeug und Bündeln überladen, keuchten rasselnd nach Osten.
Die wenigen Geschäfte, die unerklärlicherweise immer noch geöffnet waren, hatten keinerlei Waren mehr, und die beschäftigungslosen Besitzer gingen regelmäßig zum Fenster und vergewisserten sich mit einem prüfenden Blick zum Horizont, daß das Gras noch nicht in Sicht war. Aber die meisten Läden waren geschlossen, die Schaufenster eingeschlagen, die Reklameschilder schon verkommen und altersschwach – wie es lahmgelegten Geschäften schnell zu ergehen scheint. Die Gehwege waren mit Abfall, Einwickelpapier, aufgeplatzten Kartons und einzelnen Schuhen übersät. Mülleimer ergossen ihren Inhalt in üppiger Fülle über die Pflaster, anstatt dekorativ aufgereiht zu stehen oder sich schamvoll in Einfahrten zu verbergen. Hunde und Katzen, von ihren Besitzern verlassen, kämpften keifend um einzelne Leckerbissen. Ich hatte mir nie klar gemacht, wie viele Leute in der Stadt sich Haustiere hielten, bis die Zeit kam, die Tiere im Stich zu lassen.
An der Vermont Avenue bemerkte ich
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