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Es grünt so grün

Es grünt so grün

Titel: Es grünt so grün Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ward Moore
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gemacht, wie viele Leute in der Stadt sich Haustiere hielten, bis die Zeit kam, die Tiere im Stich zu lassen.
    An der Vermont Avenue bemerkte ich einen hochgewachsenen, üppig grünen Rasen zwischen anderen, die verschossen und gelb waren. Gewiß ein neuer Kern, aber ich machte mir nicht die Mühe, die Polizei zu benachrichtigen, denn ich wußte, der Hauptkörper würde ihn schon bald an seine Brust schmiegen. Und dann konnte ich im Westen das Gras selbst sehen, noch eine halbe Meile entfernt, bei Normandie. Es erhob sich hoch in die Luft, ließ die Gebäude, die in seinem Weg standen, zu Winzlingen werden, löschte die Berge dahinter aus und vermittelte in mir die Illusion, daß es geradewegs auf mich zuraste.
    Ich lenkte den Wagen nach Norden. Nicht etwa, um das Gras weiter zu beobachten, sondern weil es irgendwie zu sofortiger Zerstörung einzuladen schien, wenn man vor dieser sich auftürmenden Palisade ruhig stehenblieb. Ich fuhr langsam und nachdenklich, und bei Melrose kam das Gras, das hier von Los Feliz herbeikroch, wieder in Sicht. Ich steuerte wieder auf das Verwaltungszentrum zu. Jetzt würde es höchstens noch zwei Tage dauern, bis auch die Innenstadt verschwunden war.
     
    26.
     
    Auf dem Weg sah ich mehrmals mit unförmigen Bündeln beladene Fußgänger, die den Daumen hoben, um mitgenommen zu werden, aber da ich wußte, wohin Verzweiflung die Menschen treiben kann, und nicht vorhatte, mir meinen Wagen stehlen zu lassen, trat ich aufs Gaspedal und fuhr vorbei. Aber als ich in der Nähe von Rampart am Tempel entlangfuhr, stellte sich mir eine schöne Frau, völlig unpassend – denn es war mitten in einem heißen Oktober – in eine Pelzjacke gekleidet, in den Weg, so daß ich in die Bremsen steigen mußte, um sie nicht zu überfahren. Mit den behandschuhten Händen packte sie die Griffe zweier Koffer.
    Der Wagen blieb stehen, der Kühlergrill berührte sie fast, aber sie bewegte sich kein Stück. Ein kleiner Hut mit kleinen Seidenfransen verdeckte ihre Augen, aber ihr trotziger Mund sah mich wildentschlossen an, als sie mir, ihr Gepäck fest umklammernd, den Weg versperrte. Aus Angst vor einer Falle schaltete ich die Zündung aus und ließ den Schlüssel unauffällig in eine Seitentasche gleiten, ehe ich ausstieg und auf sie zutrat.
    „Pardon, Miss, kann ich Ihnen helfen?“
    Sie warf den Kopf zurück. Ihre Augen, braun und glitzernd, musterten mich unter dick bemalten Lidern. Unbeholfen und verlegen unter ihrem Blick stand ich da, bis ich plötzlich an meinen Hut dachte und ihn mit einer ungelenken Verbeugung zog. Das schien sie zufriedenzustellen, denn ohne ein Wort streckte sie mir die beiden Koffer entgegen. Da ich nicht wußte, was ich sonst tun sollte, nahm ich sie ihr ab, und prompt ging sie, nachdem sie ihre Handschuhe glattgezogen hatte, zur Beifahrerseite des Wagens.
    „Möchten Sie, daß ich Sie mitnehme?“ fragte ich überflüssigerweise.
    Sie beugte den Kopf eine Winzigkeit und legte die Finger auf den Türgriff, dann wartete sie darauf, daß ich die Tür für sie öffnete. Ich rannte, so schnell ich es mit den Koffern konnte es waren schön verarbeitete, teure Gepäckstücke –, um sie in dem engen Laderaum zu verstauen, mußte mich dann noch mehr der Lächerlichkeit preisgeben, als ich zurückrennen mußte, weil ich die Schlüssel in der Seitentasche vergessen hatte. Als ich das Gepäck schließlich verstaut und die Tür für sie geöffnet hatte, stieg sie mit einem herablassenden Kopfnicken ein und starrte nach vorn.
    Ich fuhr sehr langsam und warf ab und zu einen Blick auf ihr Profil. Ihre Wangen waren glatt wie die einer Porzellanpuppe, ihre Nase war die gemeißelte Nachbildung einer antiken Marmorschönheit, ihr Mund eine lebende Studie runder Linien; noch nie war ich einer so attraktiven Frau so nahe gewesen. Wir erreichten das Verwaltungszentrum, und automatisch steuerte ich zum Gebäude des Intelligencer. Aber ich konnte den Gedanken nicht ertragen, ihre Gesellschaft so schnell wieder aufzugeben, also fuhr ich nach links zur May Street hinaus.
    Jetzt steckten wir in dem Verkehr, der schneckengleich nach Osten kroch. Im ersten Gang fuhr ich ein paar Meter, hielt an und wartete, bis ein erneuter minimaler Abstand eine weitere quälend langsame Vorwärtsbewegung zuließ. Meine Passagierin hatte immer noch kein Wort gesagt, sondern die ganze Zeit weiter nach vorn gestarrt, obwohl sie dort nichts außer dem Heck eines über das Höchstgewicht hinaus mit Koffern beladenen.

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