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Es muß nicht immer Kaviar sein

Es muß nicht immer Kaviar sein

Titel: Es muß nicht immer Kaviar sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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seiner sanften Bahn.
    Der ordentliche Bürger Thomas Lieven sah sich gezwungen, in ebenso gewaltigen wie grotesken Aktionen die folgenden Organisationen übers Ohr zu hauen: die deutsche Abwehr und die Gestapo, den britischen »Secret Service«, das französische »Deuxième Bureau«, das amerikanische »Federal Bureau of Investigation« und den sowjetischen Staatssicherheitsdienst.
    Der ordentliche Bürger Thomas Lieven sah sich gezwungen, in fünf Kriegs- und zwölf Nachkriegsjahren sechzehn falsche Pässe von neun Ländern zu benutzen.
    Im Krieg stiftete Thomas Lieven maßlose Verwirrung sowohl in den deutschen als auch in den alliierten Hauptquartieren. Er fühlte sich keineswegs wohl dabei.
    Nach dem Krieg wiederum hatte er – wie wir wohl alle – für kurze Zeit das Gefühl, daß der Wahnsinn, in dem und von dem er gelebt hatte, zu Ende sei.
    Irrtum!
     
    Die Herren im Dunkeln ließen Thomas Lieven nicht mehr los. Aber dafür rächte er sich an seinen Peinigern. Er nahm von den Reichen der Besatzungszeit, von den Hyänen der Währungsreform, von den Neureichen des Wirtschaftswunders.
    Es gab keinen Eisernen Vorhang für Thomas Lieven. Er handelte und wandelte in Ost und West. Die Behörden zitterten vor ihm.
    Abgeordnete verschiedener Landtage und Parlamentarier in Bonn zittern noch heute, denn Thomas Lieven lebt, und er weiß eine Menge über Spielbanken, Baugeschäfte und Aufträge der neuen deutschen Bundeswehr …
    Er heißt natürlich nicht Thomas Lieven.
    Man wird uns unter den gegebenen Umständen verzeihen, daß wir seinen Namen ebenso geändert haben wie seine Adresse. Aber die Geschichte dieses einstmals friedlichen Bürgers, dessen Leidenschaft auch heute noch das Kochen ist und der wider Willen zu einem der größten Abenteurer unserer Zeit wurde, diese Geschichte ist wahr.
    Wir beginnen sie am Abend des 11. April 1957, in jenem historischen Moment, da Thomas Lieven über die Zubereitung von Kopfsalat doziert.
    Kehren wir also wieder in die Küche seiner Villa zurück!
    »Salat darf nie mit Metall in Berührung kommen«, sagte Thomas Lieven.
    Kitty blickte wie hypnotisiert auf die schlanken Hände ihres Arbeitgebers, und sie hörte seinem Vortrag mit immer neuen Schauern zu.
    »Zur Sauce«, sagte Thomas Lieven, »nehme man eine Messerspitze Pfeffer, eine Messerspitze Salz, einen Teelöffel scharfen Senf. Dazu ein hartes Ei, kleingeschnitzelt. Viel Petersilie. Noch mehr Schnittlauch. Vier Eßlöffel original italienisches Olivenöl. Kitty, das Öl bitte!«
    Errötend reichte Kitty das Gewünschte.
    »Vier Löffel davon, wie gesagt. Und nun noch ein Viertelliter Sahne, saure oder süße, das ist eine Geschmacksfrage, ich nehme saure …«
    In diesem Augenblick ging die Küchentür auf, und ein Riese trat ein. Er trug schwarz-grau gestreifte Hosen, eine blau-weiß gestreifte Hausjacke, ein weißes Hemd und eine weiße Schleife. Bürstenhaar zierte den Schädel. Wäre ihm eine Glatze eigen gewesen, dann hätte er wie eine zu groß geratene Zweitausgabe von Yul Brynner gewirkt.
    »Was gibt es, Bastian?« fragte Thomas Lieven.
    Mit einer leicht schleppenden, französisch akzentuierten Stimme erwiderte der Diener: »Herr Direktor Schallenberg ist eingetroffen.«
    »Pünktlich auf die Minute«, sagte Thomas. »Mit dem Mann wird sich arbeiten lassen.«
    Er band die Schürze ab. »Essen also in zehn Minuten. Bastian wird servieren. Sie, liebes Kind, haben Ausgang.«
    Während Thomas Lieven sich im schwarzgekachelten Badezimmer die Hände wusch, bürstete Bastian noch einmal über die Smokingjacke.
    »Wie sieht der Herr Direktor denn aus?« fragte Thomas Lieven.
    »Das Übliche«, antwortete der Riese. »Fett und solide. Stiernacken und Kugelbauch. Ordentliche Provinz.«
    »Klingt nicht unsympathisch.«
    »Zwei Schmisse hat er auch.«
    »Ich nehme alles zurück.« Thomas schlüpfte in die Smokingjacke. Dabei fiel ihm etwas auf. Mißbilligend sprach er: »Bastian, du bist schon wieder an den Kognak gegangen!«
    »Nur ein Schlückchen. Ich war ein bißchen aufgeregt.«
    Menu • 11. April 1957
    Dieses Abendessen brachte
717 850 Schweizer Franken ein.
     
    Lady-Curzon-Suppe
    Paprikahuhn • Kopfsalat »Clara« • Reis
    Gespickte Äpfel mit Weinschaumsauce • Toast mit Käse
    Suppe:
Lady Curzon war die Frau des englischen Vizekönigs Lord Curzon. Ihr Mann schrieb politische Bücher. Sie verfaßte Kochrezepte. Für ihre Schildkrötensuppe empfiehlt die Lady die Vorderfüße der schmackhaften Tiere. Sie

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