Es: Roman
die Spitze über seinem Bauchnabel in sein Fleisch bohrte. Sie war noch immer eiskalt. Er hatte keine Ahnung, wie das sein konnte, aber es war so.
»Wenn du einen Laut von dir gibst, schlitz ich dich auf!«, zischte Henry, sein Gesicht so dicht vor Bens, als wollte er ihn küssen. Sein Atem roch süßlich nach Kaugummi.
Das Auto fuhr an ihnen vorbei, die Kansas Street entlang, so langsam wie das Tempo angebende Fahrzeug bei der Neujahrsparade.
»In Ordnung«, sagte Henry und trat einen Schritt zurück. »Hier ist also die nächste Frage, Fettwanst. Wenn ich sage ›Lass mich abschreiben‹ – was antwortest du dann?«
»Ja«, sagte Ben. »Ich antworte: ja.«
Henry Bowers lächelte. »Sehr gut. Und nun die dritte Frage, Fettkloß. Wie kann ich sichergehen, dass du das nie wieder vergisst?«
»Ich … ich weiß nicht«, flüsterte Ben.
Henry grinste. Sein Gesicht hellte sich auf, war einen Moment lang fast hübsch. »Aber ich weiß es!«, sagte er, als hätte er gerade eine wichtige Wahrheit entdeckt. »Ich werde meine Initialen auf deinen dicken fetten Wanst eingravieren!«
Victor und Belch fingen schallend an zu lachen, und Ben verspürte kurz Erleichterung, es war alles nur Spaß gewesen, um ihm eine höllische Angst einzujagen. Aber Henry Bowers lachte nicht, und Ben wurde schlagartig klar: Victor und Belch lachten, weil sie erleichtert waren. Es war für beide offensichtlich, dass Henry es nicht ernst meinen konnte. Nur dass Henry es völlig ernst meinte.
Das Messer stieß aufwärts, weich wie Butter. Blut quoll in einer breiten roten Linie auf Bens blasse Haut.
»He«, schrie Victor. Das Wort kam gedämpft heraus, ein verblüfftes Keuchen.
»Haltet ihn fest!«, zischte Henry, und jetzt hatte sein Gesicht nichts Nachdenkliches und Feierliches mehr an sich; jetzt war es die verzerrte Fratze eines Teufels.
»Um Himmels willen, Henry, hör auf damit!«, kreischte Belch mit hoher Stimme, wie ein Mädchen.
Alles ging jetzt sehr schnell vor sich, aber Ben Hanscom kam es sehr langsam vor, wie eine Serie von Momentaufnahmen in einem Bildbericht der Zeitschrift Life. Seine Panik war verschwunden. Er hatte plötzlich etwas in sich entdeckt, und da dieses Etwas keinen Nutzen für Panik hatte, verschlang es sie.
Erste Momentaufnahme: Henry hatte seinen Sweater bis zu den Brustwarzen hochgeschoben. Blut rann aus dem schmalen vertikalen Schnitt über seinem Nabel.
Zweite Momentaufnahme: Henrys Messer schnitt wieder in seinen Bauch. Henry arbeitete sehr schnell, wie ein irrsinniger Stabsarzt bei einem Luftangriff. Wieder floss Blut.
Rückwärts, dachte Ben kaltblütig, während sein Blut ihm über den Bauch in die Jeans floss. Mir bleibt nur der Weg nach rückwärts. Belch und Victor hielten ihn nicht mehr fest. Sie hatten sich trotz Henrys Befehl entsetzt ein Stück weit zurückgezogen. Aber wenn er losrannte, würde Bowers ihn fangen.
Dritte Momentaufnahme: Henry verband die beiden vertikalen Schnitte auf Bens schwabbelndem Bauch mit einem horizontalen Schnitt. Ben spürte, wie ihm das Blut jetzt in die Unterhose rann, und eine klebrige Schneckenspur aus Blut kroch seinen linken Oberschenkel hinunter.
Henry lehnte sich zurück wie ein Künstler, der konzentriert sein gerade erschaffenes Landschaftsgemälde studiert. Nach H kommt E, dachte Ben, und mehr brauchte es nicht, um ihn anzuspornen. Er ging etwas nach vorn, aber Henry drückt ihn sofort wieder nach hinten. Ben lehnte sich mit seinem ganzen Gewicht gegen das Geländer, das den Gehweg von der steilen Böschung trennte, die in die Barrens führte. Er hob den rechten Fuß und stieß ihn in Henrys Magen, nicht, weil er sich rächen wollte, sondern um seinen Schwung zu erhöhen. Und doch durchfuhr ihn eine reine, wilde Freude, als er Henrys überraschten Gesichtsausdruck sah – dieses Gefühl war so intensiv, dass er einen Sekundenbruchteil dachte, sein Kopf würde explodieren.
Das Geländer krachte und zersplitterte. Ben sah, wie Victor und Belch Henry auffingen, damit er nicht im Rinnstein neben den Resten von Bulldozer landete. Und dann flog Ben halb schreiend, halb lachend nach hinten.
Er landete knapp unterhalb des vorstehenden Kanalrohrs, das ihm eben schon aufgefallen war, mit Rücken und Gesäß auf dem Abhang. Glück gehabt, schoss es ihm durch den Kopf. Wenn er gegen dieses rostige Rohr geprallt wäre, hätte er sich leicht das Rückgrat brechen können. So aber hatte er den Aufprall kaum gespürt, weil der Abhang dicht mit Gras und Farnkraut
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