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Es: Roman

Es: Roman

Titel: Es: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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darunter eine katastrophale im Jahre 1931. Zu allem Überfluss waren die Hügel, auf denen ein Großteil von Derry erbaut worden war, von kleinen Bächen durchzogen – dazu gehörte auch der Torrault Stream, in dem die Leiche von Cheryl Lamonica gefunden worden war. Bei schweren, anhaltenden Regengüssen war die Wahrscheinlichkeit groß, dass all diese Bäche über die Ufer traten. »Wenn es zwei Wochen lang regnet, bekommt die ganze Scheißstadt Stirnhöhlenvereiterung«, hatte der Dad von Stotter-Bill einmal gesagt.
    In der Innenstadt war der Kenduskeag in einen etwas mehr als drei Kilometer langen Kanal eingezwängt. Unter der Kreuzung Main Street und Canal Street teilte er sich und floss etwa achthundert Meter unterirdisch, dann kam er beim Bassey Park wieder an die Oberfläche. Die Canal Street, an der die meisten Bars von Derry lagen, führte am Fluss entlang stadtauswärts, und alle paar Wochen musste die Polizei das Auto irgendeines Betrunkenen aus dem von Abwässern und Fabrikabfällen getränkten Kanal fischen. Die Fische, die hin und wieder im Kanal gefangen wurden, waren mutiert und nicht genießbar.
    An der Nordostseite von Derry – der Kanalseite – war der Fluss halbwegs begradigt worden. Hier herrschte trotz der gelegentlichen Überschwemmungen immer geschäftiges Treiben; Leute schlenderten am Fluss entlang, manchmal Hand in Hand (ein solcher Spaziergang war allerdings nur angenehm, wenn der Wind den Gestank in die entgegengesetzte Richtung wehte), und im Bassey Park, gegenüber der Highschool auf der anderen Kanalseite, wurden manchmal Pfadfinderlager oder Grillpartys veranstaltet. 1969 würden die Bewohner von Derry schockiert und empört darüber sein, dass Hippies dort haschten und mit Drogen handelten (einer von ihnen hatte es tatsächlich gewagt, die amerikanische Flagge auf das Hinterteil seiner Jeans zu nähen, aber diese Schwuchtel wurde schneller festgenommen, als sie ihren Joint zu Ende rauchen konnte). Ende der Sechzigerjahre wurde der Bassey Park zum regelrechten Umschlagplatz für Rauschgift. Wartet’s nur ab, sagten die Leute, es wird noch jemand umkommen, wenn sie nichts dagegen machen. Bald darauf wurde tatsächlich ein siebzehnjähriger Junge am Kanal tot aufgefunden. Sein Körper war mit einer tödlichen Dosis Heroin vollgepumpt. Danach begannen die jungen Leute den Bassey Park zu meiden, und es gingen sogar Gerüchte um, dass der Geist des Siebzehnjährigen die Kanalgegend unsicher mache. Das war natürlich ein lächerliches Gerücht, aber solange es die Junkies fernhielt, war es ein nützliches Gerücht.
    Auf der südwestlichen Seite der Stadt stellte der Fluss ein noch größeres Problem dar. Hier waren die Berge durch einen großen Gletscher tief eingeschnitten und weiter von der endlosen Wassererosion des Kenduskeag und seinem Netz von Nebenflüssen gegeißelt worden; an vielen Stellen trat das Urgestein zutage wie die halb freigelegten Gebeine von Dinosauriern. Veteranen des Derry Public Works Department wussten, dass sie nach dem dem ersten Frost im Herbst mit zahlreichen Gehwegreparaturen im Südwesten der Stadt zu rechnen hatten. Der Beton zog sich zusammen und wurde spröde, und dann brach das Urgestein plötzlich durch, als wollte die Erde etwas ausbrüten.
    In der flachen verbliebenen Erdkruste gediehen widerstandsfähige Pflanzen mit flachen Wurzeln am besten – Unkraut, mit anderen Worten: verkümmerte Bäume, dichtes Unterholz und wuchernde Pestbeulen von Giftsumach und Giftefeu wuchsen überall, wo man ihnen gestattete, Fuß zu fassen. Im Südwesten fiel das Land steil zu der Gegend hin ab, die in Derry als die Barrens bezeichnet wurde. Die Barrens – dem englischen Namen nach ein Ödland, tatsächlich aber üppig und fruchtbar – waren ein verwahrlostes Landstück, etwa zweieinhalb Kilometer breit und knapp fünf Kilometer lang. Es wurde auf der einen Seite von der Kansas Street begrenzt, auf der anderen von Old Cape. Old Cape war eine Siedlung für untere Einkommensstufen, und dort war die Kanalisation so schlecht, dass man sich tatsächlich Geschichten über Toiletten und Abflussrohre erzählte, die buchstäblich explodiert waren.
    Der Kenduskeag floss mitten durch die Barrens, und die Stadt erstreckte sich im Nordosten zu beiden Seiten davon; aber dort unten befanden sich nur die städtische Abwasser-Pumpstation 3 und die Mülldeponie. Aus der Luft sahen die Barrens wie ein großer grüner Dolch aus, dessen Spitze auf die Stadt hin zeigte.
    Ben Hanscom

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