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Es: Roman

Es: Roman

Titel: Es: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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bemerkte plötzlich, dass rechts von ihm keine Häuser mehr standen, dass der Boden dort abfiel – er war am Rande der Barrens angelangt. Ein etwa taillenhohes, baufälliges, weiß getünchtes Geländer begrenzte den Gehweg – eine mehr symbolische Schutzmaßnahme. Er hörte schwach das Plätschern von Wasser, die musikalische Untermalung seiner noch immer andauernden Fantasie.
    Er blieb stehen, betrachtete die Barrens und dachte an Beverlys Augen und an den frischen Geruch ihres Haares.
    Von hier aus war der Kenduskeag kaum zu sehen, nur stellenweise schimmerte er zwischen dem dichten Laubwerk hindurch. Einige Kinder behaupteten, dass es um diese Jahreszeit dort unten im überwucherten Tiefland sperlinggroße Moskitos gäbe; andere berichteten von Treibsand in der Nähe des Flusses. An die Riesenmoskitos glaubte Ben nicht, aber die Treibsandgeschichten fand er beunruhigend.
    Zu seiner Linken sah er eine große Schar kreisender und herabschießender Möwen: die Mülldeponie. Das Kreischen der Vögel war bis hierher schwach zu hören. Auf der anderen Wegseite konnte er in der Ferne Derry Heights erkennen und davor die niedrigen Dächer der Häuser von Old Cape. Rechts von der Siedlung erhob sich wie ein plumper weißer Finger der Wasserturm von Derry. Direkt unterhalb von Bens Standort ragte ein rostiges Kanalrohr ein Stück aus der Erde heraus, aus dem ein schmales funkelndes Bächlein den Hügel hinabfloss und in einem Gewirr von Büschen und verkümmerten Bäumen verschwand.
    Ein unangenehmer Gedanke schoss Ben durch den Kopf. Was wäre, wenn plötzlich, in diesem Augenblick, die Hand einer Leiche aus dem Rohr auftauchen würde? Ein weiteres Opfer des Verrückten? Angenommen, er würde diese Hand sehen und wegrennen wollen, um ein Telefon zu suchen und die Polizei anzurufen, und plötzlich würde ein Clown vor ihm stehen, ein lustiger Clown in einem bauschigen Kostüm mit orangefarbenen Pompons als Knöpfen? Angenommen …
    Eine Hand legte sich auf seine Schulter, und er schrie auf.
    Er hörte Gelächter, wirbelte herum und lehnte sich gegen das weiße Geländer, das den sicheren Gehweg der Kansas Street von den wilden Barrens trennte (er fühlte deutlich, wie das Geländer unter seinem Gewicht schwankte). Vor ihm standen Henry Bowers, Belch Huggins und Victor Criss.
    »Hallo, Titte«, sagte Henry.
    »Was willst du von mir?«, fragte Ben und versuchte, mutig zu klingen.
    »Ich will dir eine reinhauen«, erwiderte Henry bedächtig. Er wirkte ganz nüchtern, ganz ruhig und gelassen. Aber seine schwarzen Augen funkelten wild. »Muss dir ein bisschen was beibringen, Fettkloß. Du bist doch gut in der Schule? Du lernst doch gern, nicht wahr?«
    Er streckte die Hand nach Ben aus. Ben wich ein Stück zur Seite.
    »Packt ihn, Jungs!«, rief Henry.
    Belch und Victor traten in Aktion. Ben quiekte – es war ein schrecklich feiger Laut, aber er konnte ihn nicht zurückhalten. Bitte, lieber Gott, lass sie mich nicht zum Heulen bringen, und lass sie nicht meine Uhr kaputt machen, dachte Ben verzweifelt, aber er wusste, dass er heulen würde. Er würde vermutlich eine ganze Menge heulen, bevor das hier vorbei war.
    »Hört sich an wie ein Schwein, was?«, sagte Victor lachend. Er drehte Ben das Handgelenk um. »Hört sich an wie ein Schwein.«
    »Und ob!«, kicherte Belch.
    Ben versuchte auszubrechen, erst in die eine, dann in die andere Richtung. Belch und Victor ließen ihn aber nicht los und zerrten ihn zurück.
    Henry Bowers zog mit einem Ruck Bens weiten Sweater hoch und entblößte damit seinen Bauch, der weit über seinen Gürtel hinabhing.
    »Schaut euch nur mal diesen Wanst an!«, sagte Henry erstaunt und angewidert. »Mein Gott!«
    Victor und Belch lachten. Ben schaute wild um sich, in der Hoffnung, in der Nähe jemanden zu sehen, den er zu Hilfe rufen konnte. Aber kein Mensch war da. Hinter ihm, unten in den Barrens, zirpten Grillen und kreischten Möwen über der Müllhalde.
    »Du solltest mich lieber in Ruhe lassen«, sagte er. Noch heulte er nicht, aber es fehlte nicht viel. »Es wäre besser für dich.«
    »Was passiert denn sonst?«, fragte Henry in einem Ton, als wäre er daran wirklich interessiert. »Hä?«
    Ben musste plötzlich an Dan Matthews als Broderick Crawford in Highway Patrol denken – der Bursche war stark und hartgesotten, der ließ sich nichts gefallen -, und er brach in Tränen aus. Dan Matthews hätte diese Kerle einfach mit seinem Bauch vor sich hergeschoben und über das Geländer

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