Es: Roman
wusste immer, was man machen konnte, wo man hingehen konnte, was man sich ansehen konnte. Bill wurde mit jeder Schwierigkeit fertig. Mit Bill an seiner Seite fühlte man sich, als könnte man es selbst mit dem Teufel aufnehmen. Und man lachte viel … aber man war dabei fast nie außer Atem. Und nie außer Atem sein war toll, so verdammt toll, dass Eddie es in die Welt hatte hinausschreien wollen. Wenn man mit Big Bill unterwegs war, waren Lacher garantiert.
»Klar, Kleiner, ga-ran-tiert«, sagt er mit einer Richie-Tozier-Stimme und muss wieder lachen.
Es war Bills Idee gewesen, den Damm in den Barrens zu bauen, und in gewisser Weise war es der Damm gewesen, der sie alle zusammengeführt hatte. Ben Hanscom hatte den Damm konstruiert – so gut konstruiert, dass sie Schwierigkeiten mit Mr. Nell, dem Streifenpolizisten, bekommen hatten -, aber die ursprüngliche Idee hatte Bill gehabt, und obwohl sie alle – mit Ausnahme von Richie – seit Jahresbeginn in Derry merkwürdige Dinge gesehen oder erlebt hatten, war es Bill gewesen, der als Erster den Mut aufgebracht hatte, darüber zu sprechen.
Jener Damm.
Jener verdammte Damm.
Er erinnerte sich an Victor Criss’ höhnische Bemerkung am Tag zuvor: »Glaubt mir, es war ein richtiger Babydamm. Ohne seid ihr besser dran.«
Und einen Tag später hatte Ben Hanscom ihn und Bill angegrinst und gesagt:
»Wir können
Wir können die
Wir können die ganzen
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Barrens überfluten, wenn wir wollen.«
Bill und Eddie schauten zweifelnd von Ben zu dem Zeug, das er mitgebracht hatte: einige Bretter (von Mr. McKibbons Hinterhof geklaut, aber das war nicht schlimm, denn Mr. McKibbon hatte sie vermutlich selbst von irgendeinem Hinterhof geklaut), einen Schmiedehammer und eine Schaufel.
»Ich weiß nicht so recht«, sagte Eddie vorsichtig und schaute dabei Bill an. »Als wir’s gestern probiert haben, hat’s nicht sehr gut geklappt. Die Strömung hat unsere Stöcke andauernd weggeschwemmt.«
»Diesmal wird’s klappen«, versicherte Ben. Auch er schaute Bill an – bei Bill lag die letzte Entscheidung.
»Also, v-v-v-versuchen wir’s«, sagte Bill. »Ich hab h-heute Morgen R-R-Richie Tozier angerufen. Er k-k-k-kommt später rüber, hat er gesagt. Vielleicht w-w-werden er und Stanley L-L-L-Lust haben, uns zu h-h-helfen.«
»Wer ist Stanley?«, fragte Ben.
»Stan Uris«, antwortete Eddie. Er sah immer noch Bill an, der ihm heute irgendwie verändert vorkam – stiller, nicht mehr so begeistert von der Idee, einen Damm zu bauen. Bill sah heute bleich aus. Abwesend.
»Stan Uris? Ich glaube nicht, dass ich ihn kenne«, sagte Ben. »Geht er in die Derry-Elementary-Schule?«
»Er ist so alt wie wir, aber er kommt jetzt erst in die fünfte Klasse«, antwortete Eddie. »Er war als kleiner Junge sehr krank und ist deshalb ein Jahr später eingeschult worden. Wenn du glaubst, Big Ben, dass du gestern von Bowers und seinen Kumpanen ordentlich was abbekommen hast, müsstest du mal Stan sehen. Irgendjemand schikaniert ihn immer.«
»Er ist jü-jü-jüdisch«, erklärte Bill. »V-V-V-Viele Kinder m – m – mögen ihn deshalb nicht. Aber er ist o – okay.«
»Jüdisch?«, fragte Ben beeindruckt. »Tatsächlich?« Er machte eine kurze Pause und fragte dann vorsichtig: »Ist das so was Ähnliches wie türkisch, oder ist es mehr, du weißt schon, ägyptisch?«
»Ich n-n-nehme an, eher tü-tü-türkisch«, sagte Bill. Er hob eines der Bretter auf, die Ben mitgebracht hatte, und betrachtete es. Es war etwa einen Meter achtzig lang und neunzig Zentimeter breit. »M-M-Mein V-V-Vater sagt, die m-meisten Juden hätten große N-N-N-Nasen und einen Haufen G-G-Geld, a-a-a-…«
»Aber Stan hat eine ganz normale Nase, und er ist immer pleite«, warf Eddie ein.
»Genau«, sagte Bill und grinste zum ersten Mal an diesem Tag.
Ben grinste.
Eddie grinste.
Bill warf die Bretter beiseite, stand auf und klopfte sich den Dreck vom Hosenboden seiner Jeans. Er ging zum Wasser, und die anderen beiden Jungen folgten ihm. Bill schob die Hände in seine Gesäßtaschen und seufzte laut. Eddie war sich sicher, dass Bill im nächsten Moment etwas Ernstes sagen würde. Er schaute jetzt nämlich von Eddie zu Ben und wieder zu Eddie. Sein Lächeln war verschwunden, und Eddie hatte plötzlich Angst.
Aber Bill erkundigte sich nur: »H-H-Hast du dein Sp-Sp-Spray, E-Eddie?«
Eddie klopfte gegen seine Tasche. »Alles da.«
»Sag mal, wie hat eigentlich die Sache mit der Schokoladenmilch geklappt?«, fragte
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