Es: Roman
der Leinwand saßen, sich mit Popcorn bewarfen und herumgrölten, komplett vergessen. Beverly war der wahre Grund für seine Schweigsamkeit. Die unmittelbare Nähe zu ihr war so überwältigend, dass es ihn fast krank machte. Er hatte am ganzen Körper Gänsehaut, und wenn sie sich in ihrem Sitz bewegte, wurde ihm so heiß, als hätte er tropisches Fieber. Manchmal, wenn beide in die Popcorntüte griffen und ihre Hand die seine streifte, zitterte er vor Aufregung. Später dachte er, dass diese drei Stunden in der Dunkelheit neben Beverly die längsten und zugleich kürzesten Stunden seines Lebens gewesen waren.
Richie, der nicht ahnte, dass Ben gerade die Qualen der ersten Liebe erlebte, fühlte sich großartig. Das Einzige, was seiner Meinung nach noch besser war als zwei Filme über Francis das sprechende Maultier, waren zwei Horrorfilme in einem Kino voller Kinder, die bei den blutrünstigen Szenen schrien und kreischten und Popcorntüten nach den großen Bildern auf der Leinwand warfen. Er sah keinen Zusammenhang zwischen den Ereignissen in den beiden Filmen und dem, was in Derry vor sich ging. Zumindest damals nicht.
Richie hatte die Voranzeige der Samstagsmatinée Horrorim-Doppelpack am Freitagmorgen in den Derry News gesehen und sofort vergessen, wie schlecht er in der vergangenen Nacht geschlafen hatte (und wie er schließlich aufgestanden war und das Licht in seinem Wandschrank eingeschaltet hatte – natürlich war das ein richtiges Baby-Verhalten, aber er hatte zuvor kein Auge zutun können). Am Morgen war ihm alles wieder ganz normal erschienen … oder doch fast normal. Er überlegte, ob Bill und er nicht einfach gemeinsam einer Halluzination zum Opfer gefallen waren. Natürlich waren da noch die Verletzungen an Bills Finger. Aber vielleicht hatte er sich nur an den Blättern des Albums geschnitten. Ziemlich dicke Blätter. Möglich war’s. Vielleicht. Außerdem gab es auch kein Gesetz, das ihm vorschrieb, sich die nächsten zehn Jahre den Kopf darüber zu zerbrechen, richtig? Richtig.
Und so vertilgte Richie nach einem Erlebnis, das einen Erwachsenen leicht in den Wahnsinn hätte treiben können, ein üppiges Frühstück mit Pfannkuchen, entdeckte die Anzeige für die beiden Horrorfilme, überprüfte seine Ersparnisse, die nicht viel hergaben (na ja … »nicht existent« hätte es wohl besser getroffen), und begann, seinen Vater um Geld anzubetteln.
Sein Vater, der schon im weißen Zahnarztkittel zum Frühstückstisch gekommen war, legte den Sportteil beiseite und schenkte sich eine zweite Tasse Kaffee ein. Er war ein freundlich aussehender Mann mit schmalem Gesicht, trug eine Nickelbrille, bekam am Hinterkopf eine kahle Stelle und sollte 1973 an Kehlkopfkrebs sterben. Er betrachtete die Anzeige, auf die Richie deutete.
»Horrorfilme«, sagte Wentworth Tozier.
»Ja«, sagte Richie grinsend.
»Und du meinst, du musst hin«, sagte Wentworth Tozier.
»Ja!«
»Du meinst, du wirst wahrscheinlich an Krämpfen der Enttäuschung sterben, wenn du diese Schundfilme nicht sehen kannst.«
»Ja, ja, das werde ich! Ich weiß es! Arrggghh!« Richie ließ sich vom Stuhl auf den Boden fallen, umklammerte den Hals und ließ die Zunge heraushängen. Das war Richies zugegeben bizarre Art, seinen Charme spielen zu lassen.
»Meine Güte, Richie, würdest du bitte damit aufhören?«, fragte seine Mutter vom Herd her, wo sie ihm Spiegeleier als Nachtisch zu den Pfannkuchen briet.
»Himmel, Rich«, sagte sein Vater, als Rich sich wieder auf den Stuhl gesetzt hatte. »Ich muss vergessen haben, dir am Montag dein Taschengeld zu geben. Einen anderen Grund kann ich mir nicht vorstellen, warum du am Freitag schon wieder Geld brauchst.«
»Ah …«
»Ausgegeben?«
»Ah …«
»Das ist ein außerordentlich tief schürfendes Thema für einen Jungen mit deiner oberflächlichen Denkweise«, sagte Wentworth Tozier. Er stützte den Ellbogen auf den Tisch und dann das Kinn auf die Handfläche, dann betrachtete er seinen Sohn mit scheinbar großer Faszination. »Was hast du damit gemacht?«
Richie verfiel sofort in seine Toodles-der-englische-Butler-Stimme. »Nun, ich hab’s ausgegeben, oder nicht, Guoveneur? Piep-piep-cherio, und so weiter! Mein Beitrag zum Endsieg. Wir müssen alle Opfer bringen, um die elenden Deutschmänner zu besiegen, nicht wahr? Bisschen heikeles Thema, oder? Bisschen kitzlige Angelegenheit, was? Bisschen …«
»Bisschen viel Hühnerscheiße auf einmal«, sagte Went liebenswürdig und griff nach
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