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Es: Roman

Es: Roman

Titel: Es: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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begann Bill, und in diesem Augenblick bewegte sich das Foto.
    Der Ford, der eigentlich ewig in der Mitte der Kreuzung hätte bleiben müssen (oder zumindest so lange, bis die Chemikalien des alten Fotos sich völlig zersetzt hätten und es total verblasst und verschwunden wäre), überquerte sie und fuhr in Richtung Up-Mile Hill weiter. Eine kleine weiße Hand schoss aus dem Fenster neben dem Fahrersitz heraus und signalisierte, dass das Auto nach links abbiegen wollte. Es bog in die Court Street ein, fuhr über den weißen Bildrand hinaus und verschwand auf diese Weise außer Sicht.
    Der Pierce-Arrow, die Chevrolets und Packards – sie alle rollten in verschiedenen Richtungen über die Kreuzung. Nach gut achtundzwanzig Jahren kamen die Mantelschöße des Mannes endlich wieder zur Ruhe. Er setzte seinen Hut fester auf und ging weiter.
    Die beiden Jungen drehten ihre Köpfe vollends, dass ihre Gesichter jetzt in der Frontalen zu sehen waren, und einen Moment später erkannte Richie, wohin sie schauten: Ein räudiger Hund überquerte die Center Street. Der Junge im Matrosenanzug – Bill – schob sich zwei Finger in die Mundwinkel und pfiff. Wie vom Donner gerührt, nahm Richie wahr, dass er den Pfiff hören konnte, dass er das unregelmäßige Tuckern der Automotoren hören konnte. Die Geräusche waren zwar nur schwach, wie durch dickes Glas, zu hören – aber sie waren zu hören.
    Der Hund schaute zu den Jungen hinüber und trottete dann weiter. Sie wechselten einen Blick und lachten. Sie wollten gerade weitergehen, als Richie Bill am Arm packte und auf den Kanal deutete. Sie gingen darauf zu.
    Nein, dachte Richie entsetzt, tut das nicht, tut …
    Sie gingen zu der niedrigen Betonmauer, und plötzlich tauchte über dem Rand der Clown auf, wie ein schrecklicher Schachtelteufel, ein Clown mit Georgie Denbroughs Gesicht, die Haare glatt nach hinten gekämmt, der Mund ein grässliches Grinsen voll blutender Fettfarbe, die Augen schwarze Löcher. In einer Hand hielt er drei Ballons an einer Schnur. Mit der anderen packte er den Jungen im Matrosenanzug an der Kehle.
    »N-N-N-Nein!«, schrie Bill gequält auf und griff nach dem Bild, griff in das Bild.
    »Nicht, Bill!«, schrie Richie und packte ihn am Arm.
    Es war fast schon zu spät. Er sah Bills Fingerspitzen durch das Foto hindurch in jene andere Welt eintreten. Ihre Farbe änderte sich vom warmen Rosa lebendigen Fleisches in den Cremeton von Mumienbandagen, der in alten Fotos als Weiß durchgeht. Gleichzeitig wurden sie klein und schienen gar nicht mehr zu Bills Hand zu gehören. Es war so ähnlich wie bei der optischen Täuschung, die eintritt, wenn man eine Hand in stehendes Wasser hält: Der sich im Wasser befindliche Teil der Hand scheint zu schweben, abgelöst und ein Stückchen entfernt von jenem Teil der Hand, der noch aus dem Wasser herausragt.
    Eine Reihe diagonaler Schnitte zog sich über Bills Finger, und zwar genau an dem Punkt, wo sie nicht mehr seine Finger, sondern fotografierte Finger waren; so als hätte er seine Hand zwischen die Flügel eines Ventilators gesteckt statt in ein Foto.
    Richie zog mit aller Kraft an Bills Unterarm, und sie fielen beide dröhnend auf den Rücken. Georges Album schlug auf dem Boden auf und klappte laut zu. Bill steckte seine Finger in den Mund. Vor Schmerz hatte er Tränen in den Augen. Richie konnte sehen, dass dünne Blutrinnsale über seine Hand bis zum Gelenk flossen.
    »Zeig mal«, sagte er.
    »T-T-Tut h-höllisch weh«, flüsterte Bill. Er streckte Richie seine Hand mit der Handfläche nach unten hin. Über Zeige-, Mittel- und Ringfinger zogen sich sprossenartige tiefe Schnitte. Der kleine Finger hatte die Oberfläche des Fotos kaum berührt (wenn es eine Oberfläche hatte! ), und obwohl er keine Schnittwunden aufwies, so erzählte Bill Richie später doch, dass der Nagel säuberlich abgeschnitten war wie mit einer Nagelschere.
    »Mein Gott, Bill!«, sagte Richie. Heftpflaster. Das war das Einzige, woran er denken konnte. Himmel, was hatten sie für ein Glück gehabt – wenn er nicht an Bills Arm gezogen hätte, wären seine Finger vielleicht amputiert worden statt nur Schnittwunden davonzutragen. »Komm, wir müssen das verbinden. Deine Mutter …«
    »M-Meine M-M-Mutter wird das g-gar nicht m-merken«, sagte Bill. Er griff wieder nach dem Album, während Blutstropfen auf den Boden fielen.
    »Öffne es nicht! Nicht noch mal!«, schrie Richie und packte Bill verzweifelt bei den Schultern. »Mein Gott, Billy, du

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