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Es: Roman

Es: Roman

Titel: Es: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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auf die jeweiligen Pedale verlagerte, überkam Richie plötzlich die Gewissheit, dass sie unverwundbar waren … dass sie immer und ewig leben würden. Na ja … vielleicht nicht sie, aber Bill bestimmt. Bill selbst hatte keine Ahnung, wie stark er war, wie sicher und vollkommen.
    Sie sausten dahin; die Abstände zwischen den Häusern wurden größer, die Querstraßen, die in die Witcham Road mündeten, seltener.
    »Hi-yo Silver!«, rief Bill, und Richie schrie dazu in seiner Nigger-Jim-Stimme, hoch und schrill: »Hi-yo Silver, Massa, so isses richtig! Und wie Sie dieses Rad reiten! Pest und Hölle! Hi-yo Silver LOOOOOOS!«
    Kurz darauf fuhren sie an grünen Feldern vorbei, die unter dem grauen Himmel seltsam flach und leblos wirkten. In der Ferne konnte Richie jetzt schon den alten Bahnhof erkennen und rechts davon die Wellblech-Lagerhäuser. Silver buckelte über eine Bahnschwelle, dann über eine zweite.
    Und da war auch schon die Kreuzung Neibolt Street. Unter dem Straßenschild verkündete ein blaues Wegweiserschild: BAHNHOF DERRY. Es war rostig und hing schief. Darunter war ein wesentlich größeres gelbes Schild angebracht, auf dem mit schwarzen Buchstaben – fast schon wie ein Kommentar zum Bahnhof – stand: SACKGASSE.
    Bill bog in die Neibolt Street ein, bremste dann und stellte einen Fuß auf den Gehweg. »V-V-Von h-hier aus g-gehen wir am b-b-besten z-zu Fuß.«
    Mit einer Mischung aus Erleichterung und Bedauern glitt Richie vom Gepäckträger. »Okay«, sagte er.
    Sie gingen auf dem Gehweg, aus dessen Rissen Unkraut herauswuchs. Vor ihnen, auf dem Bahnhofsgelände, schnaubte eine Diesellok, verstummte, schnaubte dann wieder. Ab und zu war auch das metallische Klirren von Waggons zu hören, die aneinandergekoppelt wurden.
    »Hast du Angst?«, fragte Richie.
    Bill, der Silver neben sich her schob, warf Richie einen flüchtigen Blick zu und nickte dann. »Ja. Und d-du?«
    »Und wie!«, sagte Richie.
    Zur Ablenkung erzählte Bill, dass er seinen Vater am Vorabend über die Neibolt Street ausgefragt habe. Sein Vater habe berichtet, dass bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges sehr viele bei der Bahn Beschäftigte hier gewohnt hätten – Lokomotivführer, Schaffner, Weichensteller, Gepäckträger, Bahnarbeiter. Als der Bahnhof dann für den Personenverkehr geschlossen wurde, ging es auch mit der Straße bergab. Und als Bill und Richie sie jetzt entlanggingen, wurden die Häuser immer schäbiger und heruntergekommener. Die letzten drei oder vier auf beiden Straßenseiten standen leer; die Fenster waren mit Brettern vernagelt, die Gärten total verwildert. An der Veranda eines dieser Häuser hing ein uraltes Schild: ZU VERKAUFEN. Dann endete der Gehweg, und sie mussten auf einem von Unkraut überwucherten Trampelpfad weitergehen.
    Bill blieb stehen. »D-Da ist es«, sagte er leise und deutete auf ein Haus.
    Nr. 29 musste früher ein hübsches rotes Haus gewesen sein. Vielleicht hatte hier einmal ein Lokführer gewohnt, dachte Richie, ein Junggeselle, der nur ein- oder zweimal im Monat für drei oder vier Tage nach Hause gekommen war und dann Radio gehört hatte, während er in seinem Garten arbeitete; ein Mann, der sich hauptsächlich von Tiefkühlkost ernährt hatte (obwohl er im Garten für seine Freunde Gemüse anbaute), und der in windigen Nächten sehnsüchtig an »das Mädchen, das er zurückließ« gedacht hatte.
    Jetzt war die rote Farbe zu einem verwaschenen Rosa verblasst, das in großen hässlichen Brocken abblätterte. Die Fenster waren mit Brettern vernagelt. Die meisten Ziegel waren vom Dach gefallen. Auf beiden Seiten des Hauses wucherte Unkraut, und der verwilderte Rasen war mit Löwenzahn bedeckt. Ein hoher Bretterzaun, der früher vermutlich ordentlich weiß gestrichen gewesen war, jetzt aber ebenso grau aussah wie der Himmel, ragte links zwischen verwilderten Büschen hervor. Ein Stück weiter unten am Zaun wuchsen riesige Sonnenblumen, die teilweise anderthalb Meter hoch waren. Richie fand, dass sie irgendwie aufgeblasen und bedrohlich aussahen. Sie bewegten sich im Wind und schienen einander zuzuraunen: Die Jungen sind hier, ist das nicht schön? Neue Jungen. Unsere Jungen. Ein Schauder lief Richie über den Rücken.
    Während Bill sein Rad behutsam an eine Ulme lehnte, musterte Richie das Haus. Er entdeckte ein Rad, das aus dem dichten Gras in der Nähe der Veranda herausragte und zeigte es Bill. Dieser nickte. Es war das umgestürzte Dreirad, das Eddie erwähnt hatte.
    Sie schauten in beide

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