Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Es: Roman

Es: Roman

Titel: Es: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
die Hände. Das irrsinnige Knurren hörte und hörte nicht auf.
    Richie Tozier geriet in Panik.
    Kaum wissend, was er tat, kletterte er den Kohlenberg hinauf, rutschte dabei ab, kroch weiter. Er schrie. Das Fenster unter der Decke war mit Kohlenstaub bedeckt und ließ kaum Licht durch. Richie packte den Fenstergriff und versuchte ihn mit aller Kraft zu drehen. Er bewegte sich nicht. Das Knurren kam jetzt schon aus der Nähe.
    Plötzlich ging unter ihm die Pistole los; sie machte in dem geschlossenen Raum einen ohrenbetäubenden Lärm. Scharfer, beißender Rauch stieg Richie in die Nase und sorgte dafür, dass er wieder klarer denken konnte. Er stellte fest, dass er in seiner Panik den Griff in die falsche Richtung gedreht hatte. Er drehte in die Gegenrichtung. Mit einem rostigen Quietschlaut bewegte sich der Griff. Kohlenstaub rieselte wie Pfeffer auf seine Hände.
    Wieder ging unten die Pistole mit ohrenbetäubendem Knall los. Bill Denbrough brüllte: »DU HAST MEINEN BRUDER ERMORDET, DU WICHSER!«
    Und einen Moment lang schien die Kreatur, die die Treppe herabgekommen war, zu lachen und zu sprechen – es war so, als würde ein bösartiger Hund plötzlich entstellte Wörter bellen, und Richie glaubte zu hören, wie diese Kreatur in ihrer Highschool-Jacke knurrte: Ich werde auch dich töten.
    »Richie!«, schrie Bill, und Richie hörte die Geräusche hinabrollender Kohlestücke, während Bill hochkletterte. Das Knurren und Brüllen hörte nicht auf. Holz splitterte. Bellen und Heulen – Geräusche aus einem furchtbaren Albtraum.
    Richie versetzte dem Fenster mit aller Kraft einen Stoß, ohne daran zu denken, dass es zerbrechen und ihm die Hände zerschneiden könnte. Um solche Kleinigkeiten konnte er sich jetzt nicht kümmern. Aber das Fenster zerbrach nicht; es flog an einer alten rostigen Metallangel auf. Diesmal rieselte der Kohlenstaub auf Richies Gesicht. Er wand sich auf den Hof hinaus wie ein Aal, atmete herrlich frische Luft und spürte das hohe Gras an seinem Gesicht. Beiläufig registrierte er, dass es regnete. Er konnte die dicken Stängel der Riesensonnenblumen sehen, grün und haarig.
    Die Walther explodierte ein drittes Mal, und die Kreatur im Keller brüllte – ein primitiver Laut rasender Wut. Gleich darauf schrie Bill: »Es hat m-mich, Richie! H-H-Hilfe! Es hat m-mich!«
    Richie drehte sich auf Händen und Knien um und sah das emporgewandte Gesicht seines Freundes im Rechteck des großen Kellerfensters, durch das einst jedes Jahr im Oktober die Kohlen in den Keller geschüttet worden waren.
    Bill lag ausgestreckt auf dem Kohlenhaufen. Seine Hände versuchten vergeblich, den Fensterrahmen zu erreichen. Sein Hemd und sein Dufflecoat waren fast bis zur Brust hochgerutscht. Und er glitt abwärts … nein, er wurde von etwas abwärts gezogen, das Richie kaum sehen konnte. Es war nur ein riesiger Schatten hinter Bill. Ein Schatten, der knurrte und plärrte und sich fast menschlich anhörte.
    Richie brauchte ihn gar nicht zu sehen. Er hatte ihn am Samstag zuvor im Aladdin gesehen. Es war zwar verrückt, total verrückt, aber es kam Richie gar nicht in den Sinn, an seinem Verstand oder an seiner Erkenntnis zu zweifeln.
    Der Teenage-Werwolf hatte Bill Denbrough erwischt. Nur war dies hier nicht Michael Landon mit einer Maske und viel Schminke im Gesicht und jeder Menge falschem Fell. Es war real.
    Wie zum Beweis schrie Bill wieder.
    Richie streckte beide Arme durchs Fenster und packte Bills Hände. Mit einer Hand hielt Bill die Walther umklammert, und zum zweiten Mal an diesem Tag blickte Richie in ihre schwarze Mündung … nur war sie diesmal geladen.
    Sie kämpften um Bill … Richie zog an seinen Händen, der Werwolf an seinen Knöcheln.
    »R-R-Rette dich, Richie!«, schrie Bill. »R-Rette …«
    Plötzlich tauchte das Gesicht des Werwolfs aus der Dunkelheit auf. Seine Stirn war niedrig, gewölbt und mit kurzen Haaren bedeckt. Seine pelzigen Wangen waren hohl. Die Augen waren dunkelbraun und verrieten eine schreckliche Wachsamkeit, eine fürchterliche Intelligenz. Er öffnete den Mund und begann wieder zu knurren. Weißer Schaum rann ihm aus den Winkeln der dicken Unterlippe am Kinn hinab. Sein Kopfhaar war zur grausamen Parodie einer Elvis-Tolle gekämmt. Er warf den Kopf zurück und brüllte, ohne Richie aus den Augen zu lassen.
    Bill kroch ein Stückchen höher. Richie packte ihn an den Unterarmen und zog. Einen Augenblick lang dachte er, er würde den Kampf gewinnen. Aber dann wurde Bill wieder

Weitere Kostenlose Bücher