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Es: Roman

Es: Roman

Titel: Es: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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rang nach Luft und blickte in panischer Angst um sich.
    »N-N-Nicht«, beruhigte ihn Bill. »E-Es ist f-f-fort, R-Richie. Es ist v-v-verschwunden.«
    Richie sah die leere Straße, auf der sich nichts bewegte, und plötzlich brach er in Tränen aus. Bill sah ihn einen Moment lang an, legte die Arme um ihn und drückte ihn fest an sich. Richie umklammerte seinen Hals und umarmte ihn ebenfalls. Er wollte etwas Witziges sagen, vielleicht, dass Bill den Werwolf mit seiner Schleuder hätte bekämpfen sollen, aber er brachte nichts heraus. Nichts außer Schluchzen.
    »N-N-Nicht, Richie«, sagte Bill, »n-n-n …« Dann brach er selbst in Tränen aus, und sie hielten einander fest und weinten am Straßenrand, neben Bills umgestürztem Rad, und ihre Tränen hinterließen helle Streifen auf ihren mit Kohlenstaub beschmierten Gesichtern.

Kapitel neun
     
    Aufwasch
     

1
     
    Irgendwo hoch oben über dem Bundesstaat New York beginnt Beverly Rogan am Nachmittag des 29. Mai 1985 wieder zu lachen. Sie hält sich beide Hände vor den Mund, weil man sie für verrückt halten könnte, aber sie kann das Lachen nicht unterdrücken.
    Wir haben damals sehr viel gelacht, denkt sie, und dieser Gedanke ist ein tröstliches Licht in der Finsternis. Wir hatten ständig Angst, aber wir konnten nicht aufhören zu lachen, ebenso wenig wie ich jetzt.
    Der Mann, der neben ihr auf dem Platz am Gang sitzt, ist jung, langhaarig und gut aussehend. Seit das Flugzeug um 14.30 Uhr in Milwaukee gestartet ist (vor nunmehr fast zweieinhalb Stunden, mit Zwischenlandungen in Cleveland und Philly), hat er ihr bewundernde Blicke zugeworfen, aber die Tatsache respektiert, dass sie sich nicht unterhalten möchte. Nach einigen misslungenen Versuchen, ein Gespräch zu beginnen, die sie höflich, aber bestimmt abblockte, hat er einen Roman von Robert Ludlum aus seiner Reisetasche geholt.
    Jetzt legt er seinen Finger als Lesezeichen hinein, klappt es zu und erkundigt sich besorgt: »Alles in Ordnung?«
    Sie nickt und versucht, ein ernsthaftes Gesicht zu machen, aber stattdessen muss sie wieder lachen. Er lächelt ein wenig verwirrt und fragend.
    »Es ist nichts«, sagt sie und bemüht sich wieder, ernst zu sein, aber es gelingt ihr nicht; je mehr sie versucht, ein ernstes Gesicht zu machen, desto mehr muss sie lachen. Genau wie in alten Zeiten. »Es ist nur – mir ist plötzlich eingefallen, dass ich nicht einmal weiß, mit welcher Linie ich fliege. Nur dass an der Seite des Flugzeugs eine große fette E-Ente w-w-war …« Aber der Gedanke an die Ente ist zu viel. Sie lacht wieder ausgelassen. Leute drehen sich nach ihr um; manche runzeln die Stirn.
    »Republic«, sagt er.
    »Bitte?«, fragt sie.
    »Sie rasen mit siebenhundertfünfzig Kilometern pro Stunde durch die Luft, dank Republic Airlines. Steht in dem VDVDH-Prospekt in der Sitztasche.«
    »VDVDH?«
    Er zieht den Prospekt (auf dem tatsächlich ein Republic-Logo zu sehen ist) aus der Sitztasche heraus. Hier wird erklärt, wo die Notausgänge sind, wo die Schwimmwesten liegen, wie man die Sauerstoffmasken bedienen muss, wie man sich bei einer Bruchlandung zu verhalten hat. »Der Verabschiede-dich-von-deinem-Hintern-Prospekt«, erklärt er, und diesmal brechen sie beide in schallendes Gelächter aus.
    Er sieht wirklich gut aus, denkt sie plötzlich … Es war ein frischer, klarer Gedanke, wie man ihn beim Aufwachen hat, wenn der Verstand noch nicht zugemüllt ist. Er trägt einen Wollsweater und verblichene Jeans. Sein dunkelblondes Haar ist mit einem Lederband zusammengebunden, und plötzlich fällt ihr der Pferdeschwanz ein, den sie als Kind getragen hat. Sie denkt: Ich wette, er hat einen hübschen Schwanz. Lang genug, um damit abzuheben, nicht dick genug, um wirklich arrogant zu sein.
    Sie beginnt wieder zu lachen; sie kann einfach nicht anders. Ihr fällt ein, dass sie nicht einmal ein Taschentuch hat, mit dem sie sich die nassen Augen trocknen könnte, und bei diesem Gedanken muss sie noch mehr lachen.
    »Sie sollten jetzt lieber aufhören, sonst wirft die Stewardess Sie noch aus dem Flugzeug«, sagt er feierlich, aber sie schüttelt nur lachend den Kopf; vor Lachen tut ihr schon alles weh.
    Er gibt ihr ein sauberes weißes Taschentuch, und sie benutzt es. Irgendwie hilft ihr das, sich endlich zu beruhigen, obwohl es ihr nicht auf einen Schlag gelingt. Sobald ihr die große Ente am Flugzeug einfällt, kichert sie wieder los.
    Nach einer Weile gibt sie ihm das Taschentuch zurück. »Danke.«
    »Mein Gott,

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