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Es: Roman

Es: Roman

Titel: Es: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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zurückgezerrt, auf die Dunkelheit zu. Der Werwolf war stärker. Er hatte Bill erwischt und dachte nicht daran, seine Beute entkommen zu lassen.
    Und plötzlich hörte Richie sich mit der Stimme-des-irischen-Bullen brüllen, ohne dass er diese Absicht gehabt hatte. Nur war es diesmal nicht Richie Tozier, der eine schlechte Imitation lieferte, und es war auch nicht direkt Mr. Nell. Es war die Stimme aller irischen Polizisten, die je gelebt und auf ihren nächtlichen Streifen den Knüppel an ihren Lederriemen geschwungen hatten, während sie nach Mitternacht die Türen geschlossener Läden prüften:
    »Lass ihn sofort los, Bürschchen, oder ich schlag dir deinen dicken Schädel ein! Ich schwör’s bei Gott! Lass ihn sofort los, sonst präsentier ich dir deinen Arsch auf’nem Silbertablett!«
    Die Kreatur im Keller stieß ein lautes Wutgebrüll aus … aber es kam Richie so vor, als schwinge in diesem Brüllen noch etwas anderes mit. Vielleicht Angst. Oder Schmerz.
    Er zog wieder mit aller Kraft, und Bill flog durchs Fenster und landete im Gras. Er starrte Richie mit dunklen, entsetzten Augen an. Sein Dufflecoat war vorn mit schwarzem Kohlenstaub beschmiert.
    »Sch-Sch-Schnell!«, keuchte Bill, und es hörte sich fast wie ein Stöhnen an. Er packte Richie am Hemd. »W-W-Wir m-m-müssen …«
    Richie hörte, wie unten wieder Kohle hinabrollte. Einen Augenblick später füllte die Fratze des Werwolfs das Kellerfenster aus. Er heulte und knurrte. Seine Tatzen landeten auf dem Gras.
    Bill hatte immer noch die Pistole in der Hand – er hatte sie die ganze Zeit über nicht losgelassen. Nun richtete er sie mit ausgestreckten Armen auf das Monster, presste die Augen zu Schlitzen zusammen und drückte auf den Abzug. Wieder ertönte der ohrenbetäubende Knall. Richie sah, wie ein Stück des Schädels des Werwolfs weggerissen wurde, und ein Blutstrom floss über seine Wange, verfärbte sein Fell und tropfte auf den Kragen des Jacketts.
    Brüllend begann er aus dem Fenster zu klettern.
    Langsam, fast schon verträumt, zog Richie die Tüte mit dem Niespulver aus der Tasche. Er riss sie auf, während das brüllende, blutende Monster sich durch das Fenster zwängte und dabei mit seinen Pfoten tiefe Furchen in die Erde grub. Zurück mit dir, Bürschchen, schrie Richie mit der Stimme-des-irischen-Bullen und drückte die Tüte zusammen. Eine weiße Wolke flog dem Werwolf ins Gesicht. Sein Gebrüll verstummte abrupt. Er starrte Richie mit fast cartoonhafter Überraschung an und stieß ein ersticktes Schnauben aus. Seine roten Triefaugen schienen sich Richie für immer genau einprägen zu wollen.
    Dann begann er zu niesen.
    Er nieste und nieste und nieste. Speichel schoss aus seinem Maul, grünlich schwarzer Rotz aus der Nase. Etwas von diesem Schleim landete auf Richies Haut und brannte wie Säure. Er schrie vor Schmerz und Ekel auf und wischte das Zeug rasch ab.
    Die Fratze des Werwolfs drückte jetzt neben rasender Wut auch Schmerz aus – das war unübersehbar. Bill hatte ihn mit der Pistole seines Vaters verwundet – aber Richie hatte ihn stärker verletzt, zuerst mit der Stimme-des-irischen-Bullen und dann mit dem Niespulver.
    Mein Gott, wenn ich auch noch Juckpulver und einen Scherz-Elektroschocker hätte, könnte ich ihn vielleicht töten, dachte Richie, und dann packte ihn Bill am Kragen und riss ihn zurück.
    Das war auch gut so, denn der Werwolf hatte plötzlich aufgehört zu niesen und versuchte, Richie zu packen – und er war schnell, unglaublich schnell.
    Vielleicht hätte Richie einfach dagesessen, zur Salzsäule erstarrt, mit dem leeren Päckchen Niespulver in der Hand, hätte das Monster mit einer Art betäubter Verwunderung angesehen und gedacht, wie braun sein Fell und wie rot sein Blut war, und dass es solche Farben im wirklichen Leben überhaupt nicht gäbe … vielleicht hätte er so dagesessen, bis die Tatzen seinen Hals umklammert und die langen Krallen ihm die Kehle aufgeschlitzt hätten, aber Bill packte ihn wieder und zog ihn auf die Beine.
    Richie stolperte hinter Bill her. Sie rannten zur Vorderseite des Hauses, und Richie dachte: Es wird nicht wagen, uns weiter zu verfolgen, wir sind jetzt auf der Straße, es wird nicht wagen, uns zu verfolgen, das wagt es nicht, wagt es nicht …
    Aber das Monster folgte ihnen. Er hörte es hinter sich, knurrend und heulend und brüllend.
    Da stand Silver, an den Baum gelehnt. Bill sprang auf den Sattel und warf die Pistole seines Vaters in den Drahtkorb, in dem sie

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