Es: Roman
… und an das Blut. Sie hatte geschrien, und ihr Vater hatte sie geschlagen. Ihr Vater … Tom …
Sie drohte in Tränen auszubrechen … und dann bezahlte Kay den Taxifahrer und gab ihm ein so hohes Trinkgeld, dass er überrascht ausrief: »Wow! Danke, Lady!«
Kay führte sie ins Haus, schob sie unter die Dusche, gab ihr einen Morgenrock, kochte ihr Kaffee, untersuchte ihre Verletzungen, cremte die Schnittwunde am Fuß mit einer antiseptischen Salbe ein und verband sie. Sie füllte Bevs zweite Tasse Kaffee großzügig mit Brandy auf und bestand darauf, dass sie ihn bis zum letzten Tropfen austrank. Dann briet sie für sich und Bev Steaks und dünstete dazu frische Pilze.
»Okay«, sagte sie. »Was ist passiert? Sollen wir die Bullen anrufen oder dich einfach nach Reno schicken, damit du in der nächsten Zeit dort deine Zelte aufschlägst?«
»Ich kann dir nicht allzu viel erzählen«, sagte Beverly. »Es würde sich viel zu verrückt anhören. Aber es war größtenteils meine Schuld …«
Kay schlug mit der Hand so fest auf die polierte Mahagoniplatte des Tisches, dass es sich anhörte wie ein Schuss aus einer Kleinkaliberpistole. Bev zuckte zusammen.
»Sag so etwas nicht!«, rief Kay. Auf ihren Wangen glühten rote Flecken, und ihre braunen Augen funkelten. »Wie lange sind wir jetzt befreundet? Neun Jahre? Zehn? Wenn ich dich noch einmal sagen höre, dass es deine Schuld war, muss ich kotzen. Hörst du? Ich werde dann einfach kotzen. Es war nicht deine Schuld, diesmal nicht, und letztes Mal nicht, und vorletztes Mal nicht, und überhaupt nie. Weißt du denn nicht, dass die meisten deiner Freunde glaubten, dass er dich früher oder später zum Krüppel schlagen oder töten würde?«
Beverly sah sie mit großen Augen an.
»Und das wäre deine Schuld gewesen, zumindest teilweise«, fuhr Kay fort. »Weil du bei ihm geblieben bist und das zugelassen hast. Aber jetzt hast du ihn endlich verlassen. Gott sei Dank! Aber sitz nicht da, mit deinen aufgerissenen Fingernägeln, dem aufgeschnittenen Fuß und Striemen auf den Schultern, und erzähl mir, es sei deine Schuld gewesen!«
»Er hat mich nicht mit dem Riemen geschlagen«, sagte Bev. Die Lüge kam ihr ganz automatisch über die Lippen … und ebenso automatisch färbte eine tiefe Schamröte ihr Gesicht.
»Wenn du mit Tom fertig bist, solltest du’s auch mit den Lügen sein«, sagte Kay ruhig und sah Bev so lange und liebevoll an, dass Bev die Augen senken musste. Sie spürte salzige Tränen in ihrer Kehle. »Wen glaubtest du denn täuschen zu können?«, fragte Kay, immer noch in diesem ruhigen Ton. Sie griff über den Tisch und nahm Bevs Hände in die ihrigen. »Die dunklen Brillen, die Blusen mit Stehkragen und langen Ärmeln … vielleicht konntest du ein paar Käufer täuschen. Aber nicht deine Freunde, Liebling. Nicht die Menschen, die dich lieben.«
Und dann weinte Bev lange, und Kay hielt sie in den Armen, und später, bevor sie endlich zu Bett gingen, erzählte sie Kay, so viel sie konnte: dass ein alter Freund aus Derry in Maine, wo sie aufgewachsen war, sie angerufen und an ein Versprechen erinnert hatte, das sie vor langer Zeit gegeben hatte. Nun sei die Zeit gekommen, dieses Versprechen einzulösen, hatte er gesagt. Ob sie kommen würde? Ja … sie würde kommen. Und dann hatten die Schwierigkeiten mit Tom begonnen.
»Was für ein Versprechen war das?«, fragte Kay.
Beverly schüttelte langsam den Kopf. »Ich kann es dir nicht erzählen, Kay. So gern ich es auch tun würde.«
Kay dachte darüber nach, dann nickte sie. »In Ordnung. Was wirst du wegen Tom unternehmen, wenn du aus Maine zurückkommst?«
Und Bev, die immer stärker das Gefühl hatte, dass sie nie aus Derry zurückkehren würde, sagte nur: »Ich werde zuerst zu dir kommen, und wir werden es uns gemeinsam überlegen. Einverstanden?«
»Mehr als einverstanden«, sagte Kay. »Ist das auch ein Versprechen?«
»Sobald ich zurück bin«, versicherte Bev ruhig. »Du kannst dich auf mich verlassen.« Und sie umarmte Kay.
Mit Kays eingelöstem Scheck und Kays Schuhen an den Füßen hatte sie einen Greyhound-Bus nach Milwaukee genommen, weil sie Angst hatte, dass Tom auf dem Flughafen O’Hare nach ihr suchen könnte. Kay, die sie zur Bank und zum Busbahnhof begleitete, versuchte ihr das auszureden.
»Im O’Hare wimmelt es nur so von Sicherheitsbeamten, Liebling«, sagte sie. »Du brauchst vor ihm keine Angst zu haben. Wenn er in deine Nähe kommt, brauchst du nur wie am Spieß zu
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