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Es: Roman

Es: Roman

Titel: Es: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Klimperkasten spielen. Er war nicht erstklassig, aber auch alles andere als schlecht. Ein anderer Bursche spielte Klarinette, und George Brannock spielte Saxofon. Manchmal beteiligten sich auch noch andere von uns, spielten Gitarre, Maultrommel oder Mundharmonika oder auch einfach auf einem Kamm, über den wir ein Stück Wachspapier legten.
    Natürlich ging das nicht so von einem Tag auf den anderen, aber Ende August spielte im Black Spot an Freitag- und Samstagabenden eine ganz schön heiße Dixieland-Combo. Im Laufe der Zeit wurden sie immer besser, und obwohl sie nie wirklich erstklassig waren – ich möchte nicht, dass du das glaubst -, spielten sie doch irgendwie anders … heißer … irgendwie...« Er schwenkte seine magere Hand über der Decke.
    »Sie spielten leidenschaftlich«, schlug ich grinsend vor.
    »Genau!«, rief er und grinste zurück. »Das ist der richtige Ausdruck. Sie spielten leidenschaftlich die Dixieland-Musik der Schwarzen. Und es kam so weit, dass Leute aus der Stadt in unserem Klub aufkreuzten. Und sogar einige der weißen Soldaten unseres Stützpunkts. Jedes Wochenende war das Black Spot regelrecht überfüllt. Natürlich passierte auch das nicht von einem Tag auf den anderen. Zuerst wirkten die weißen Gesichter wie Salzkörner in einer Pfefferdose, aber im Laufe der Zeit wurden es immer mehr.
    Wenn die Weißen auftauchten, da vergaßen wir, vorsichtig zu sein. Sie brachten ihren eigenen Fusel in braunen Papiertüten mit, meistens das beste Hochprozentige, was man bekommen konnte – dagegen wirkte das Zeug, was man in den Sauställen bekam, wie Brause. Ich meine Country-Club -Fusel, Mikey. Reiche-Leute-Fusel. Chivas. Glenfiddich. Champagner, wie er Erste-Klasse-Passagieren auf Dampfern serviert wurde. ›Champers‹ haben manche dazu gesagt, so wie wir zu Hause zu bösartigen Maultieren. Wir hätten einen Weg finden sollen, das zu beenden, wussten aber nicht, wie. Sie waren die Stadt! Verflucht, sie waren weiß!
    Wie gesagt – wir waren jung und stolz auf das, was wir geleistet hatten. Und wir unterschätzten die möglichen Folgen ganz erheblich. Wir wussten natürlich, dass die Entwicklung im Black Spot Leuten wie diesem Mueller nicht gefallen konnte, aber keiner von uns begriff, dass sie ihn wahnsinnig machte – und ich meine das im buchstäblichen Sinne: Sie machte ihn wahnsinnig. Und er war nicht der Einzige. Das Black Spot stand direkt am Rand des Grüngürtels, und da saßen sie nun, nur vierhundert Meter davon entfernt, in ihren großen viktorianischen Häusern am West Broadway und mussten sich schwarze Musikstücke wie ›Aunt Hagar’s Blues‹ und ›Diggin My Potatoes‹ anhören. Das war schon schlimm genug, aber zu wissen, dass ihre jungen Leute sich dort aufhielten und Seite an Seite mit den Schwarzen die Musiker anfeuerten – das muss noch viel schlimmer gewesen sein. Denn es waren nicht nur die Holzfäller und die Bar-Nutten, die bei uns aufkreuzten, als es Oktober wurde. Unser Klub wurde so eine Art Stadtattraktion. Junge Leute kamen, tranken und tanzten zur Musik unserer namenlosen Dixieland-Jazzband bis zur Sperrstunde um ein Uhr nachts. Sie kamen nicht nur aus ganz Derry, sondern auch aus Bangor, Newport, Haven, Cleaves Mills, Old Town und all den kleinen Ortschaften in dieser Gegend. Verbindungsstudenten von der University of Maine in Orono machten mit ihren Freundinnen wilde Luftsprünge, und als die Band eine Ragtime-Version von ›The Maine Stein Song‹ einstudierte, kannte ihre Begeisterung keine Grenzen. Natürlich war es offiziell ein Militärklub, und Zivilisten ohne Einladung war der Zutritt eigentlich verboten. Aber praktisch öffneten wir um sieben einfach die Tür und ließen sie bis eins offen stehen. Wir verwehrten keinem den Eintritt, und Mitte Oktober war es so voll, dass man sich auf dem Tanzboden kaum noch bewegen konnte. Richtig tanzen war unmöglich … man konnte nur noch dastehen und sich auf der Stelle wiegen und winden. Aber ich hab nie gehört, dass jemand sich darüber aufgeregt hätte. Gegen Mitternacht war es so, als würde ein ganzer Güterwaggon im Expresstempo hin und her wogen und schwanken.«
    Er trank wieder einen Schluck Wasser, dann erzählte er weiter. Seine Augen waren jetzt ganz klar.
    »Na ja, früher oder später hätte Fuller diesem Zustand natürlich ein Ende gesetzt. Wenn es früher gewesen wäre, wären sehr viel weniger Leute ums Leben gekommen. Er hätte nur die Militärpolizei zu uns schicken müssen, die dann all

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