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Es: Roman

Es: Roman

Titel: Es: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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stimmte das auch. Denn damals fiel mir etwas ein. Ich dachte …«
    Er senkte den Blick und runzelte die Stirn, und eigenartigerweise wusste Bill, was jetzt kommen würde, noch bevor Ben es aussprach.
    »Ich habe euch erzählt, dass ich zum letzten Mal an Henry Bowers dachte, als die Jungen mich jagten und Schinkenklopfen mit mir machten. Na ja, und als der Trainer dann aufstand, da dachte ich zum letzten Mal an das, was wir im Sommer 1958 getan hatten. Ich dachte …«
    Er verstummte wieder und schaute sie der Reihe nach aufmerksam an, als wollte er in ihren Gesichtern lesen. Dann fuhr er langsam fort:
    »Ich dachte daran, wie gut wir zusammen waren. Ich dachte daran, was wir getan hatten, und wie wir es getan hatten, und mir wurde plötzlich klar, dass der Trainer, wenn er mit etwas Derartigem konfrontiert worden wäre, schlagartig graue Haare und einen Herzinfarkt bekommen hätte. Natürlich war es nicht fair, aber er war zu mir auch nicht fair gewesen. Was dann passierte, könnt ihr euch vielleicht vorstellen …«
    »Dich hat die Wut gepackt«, sagte Bill.
    Ben lächelte. »Ja, so war’s«, sagte er. »Ich rief: ›He!‹
    Er drehte sich nach mir um. ›Sie sind doch auch Trainer für Wettläufe?‹, fragte ich.
    ›Stimmt‹, erwiderte er. ›Aber dir kann das doch völlig egal sein.‹
    ›Jetzt hören Sie mir mal zu, Sie blöder gehirnamputierter Hurensohn‹, sagte ich, und ihm klappte glatt die Kinnlade runter, und er riss die Augen sperrangelweit auf. ›Im März werde ich zur Mannschaft gehören. Was halten Sie davon?‹
    ›Ich finde, du solltest schleunigst den Mund halten, bevor du große Schwierigkeiten bekommst‹, sagte er.
    ›Ich werde jeden Läufer besiegen, den Sie aussuchen‹, sagte ich. ›Ich werde Ihren besten Läufer besiegen. Und dann erwarte ich von Ihnen eine beschissene Entschuldigung.‹
    Er ballte die Fäuste, und einen Moment lang dachte ich, er würde mich verprügeln. Aber dann entspannte er sich wieder. ›Große Töne spucken ist kinderleicht, Fettkloß‹, sagte er sanft. ›Du bist nur ein Großmaul. Aber an dem Tag, an dem du meinen besten Läufer besiegst, werde ich hier meine Koffer packen und wieder Mais ernten gehen.‹ Und damit verzog er sich.«
    »Und du hast daraufhin wirklich abgenommen?«, fragte Richie.
    »Das habe ich«, sagte Ben. »Aber der Trainer hatte unrecht. Es fing nicht in meinem Kopf an. Es fing mit meiner Mutter an. Ich kam an jenem Abend nach Hause und erklärte ihr, ich wolle abnehmen. Es gab einen Riesenkrach, und zuletzt heulten wir beide. Sie wiederholte ihr altes Lied: Ich sei nicht fett, ich hätte nur schwere Knochen, und ein großer Junge, der ein großer, starker Mann werden wolle, müsse viel essen, um bei Kräften zu bleiben. Ich glaube, es war bei ihr so’ne Art … so’ne Art Sicherheitsgefühl. Es war schwierig für sie, einen Jungen allein aufzuziehen. Sie hatte keine große Bildung und keine besonderen Fähigkeiten, nur die Bereitschaft, hart zu arbeiten. Und wenn sie mir eine zweite Portion geben konnte … oder wenn sie mich über den Tisch hinweg anschaute und sah, dass ich kräftig war …«
    »Dann hatte sie das Gefühl, den Kampf zu gewinnen«, fiel Mike ein.
    »Jaaa.« Ben trank sein Bier aus und wischte sich mit dem Handrücken einen kleinen Schnurrbart-Schaum von der Oberlippe. »Mit ihr hatte ich die größten Probleme. Monatelang weigerte sie sich, meinen Entschluss zu akzeptieren. Sie machte mir die Kleidung weder enger, noch kaufte sie mir neue. Ich hatte angefangen, mich im Rennen zu trainieren, ich legte sämtliche Wege rennend zurück, und manchmal hatte ich dabei so starkes Herzklopfen, dass ich glaubte, im nächsten Moment umzukippen. Als ich zum ersten Mal einen ganzen Kilometer gerannt war, übergab ich mich und wurde dann ohnmächtig. Übergeben hab ich mich nach meinen Läufen noch eine ganze Weile. Und dann musste ich allmählich beim Rennen meine Hose festhalten.
    Ich besorgte mir einen Job als Zeitungsausträger, und ich rannte mit der Tasche um den Hals, während ich gleichzeitig meine Hose festhielt. Meine Hemden flatterten an mir herum wie Segel. Und wenn ich abends heimkam und meinen Teller nur zur Hälfte leer aß, heulte meine Mutter und sagte, ich liebte sie nicht mehr, es sei mir ganz egal, wie schwer sie die ganze Zeit für mich geschuftet hätte.«
    »Mein Gott«, murmelte Richie und zündete sich eine Zigarette an. »Ich weiß nicht, wie du das alles ausgehalten hast, Ben.«
    »Ich hielt mir immer

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