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Es: Roman

Es: Roman

Titel: Es: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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einer Pause fügte er hinzu: »Aber es reicht, nehme ich an.«
    »Wirst du herkommen?«
    »Ich komme«, sagte Rich und legte den Hörer auf.
    Er saß in seinem Arbeitszimmer, lehnte sich in seinem Schreibtischsessel zurück und starrte auf den Pazifischen Ozean hinaus. Einige Kinder saßen zu seiner Linken im seichten Wasser auf ihren Surfbrettern. Die Brandung war an diesem Tag nicht stark genug zum Wellenreiten.
    Die Uhr auf dem Schreibtisch – eine teure LED-Quarzuhr, die er von einer Schallplattenfirma geschenkt bekommen hatte – zeigte 17.09 Uhr an. Es war der 28. Mai 1985. Dort, von wo Mike angerufen hatte, war es natürlich drei Stunden später. Bereits dunkel. Bei diesem Gedanken bekam er eine Gänsehaut und begann rasch, Verschiedenes zu erledigen. Zuallererst legte er natürlich eine Schallplatte auf – griff aufs Geratewohl aus den Tausenden von Platten in den Regalen eine heraus. Rock and Roll war ebenso ein Teil seines Lebens wie die Stimmen, und es fiel ihm schwer, irgendetwas ohne Musik zu tun – je lauter sie war, desto besser. Die blindlings herausgeholte Platte erwies sich als Motown-Retrospektive. Der kürzlich verstorbene Marvin Gaye, der nun auch in der »Rock-Show der Toten« – wie Rich sich manchmal ausdrückte – auftreten konnte, sang »I Heard It Through the Grapevine«:
    »Ooooh-hoo, I bet your wond’rin how I knew …«
    »Nicht übel«, sagte Rich und lächelte sogar ein wenig. Dies war eine schlimme Sache, und im ersten Augenblick hatte sie ihn zugegebenermaßen fast umgehauen, aber nun hatte er das Gefühl, damit fertigwerden zu können. Nur keine Aufregung!
    Er begann Vorbereitungen für die Reise nach Hause zu treffen. Und irgendwann während der nächsten Stunde wurde ihm bewusst, dass es ihm vorkam, als wäre er gestorben, hätte aber die Erlaubnis erhalten, letzte geschäftliche Dispositionen zu treffen … nicht zu vergessen, seine Beerdigungsformalitäten selbst zu erledigen. Und er hatte das Gefühl, seine Sache sehr gut zu machen. Er rief in seinem üblichen Reisebüro an, obwohl er befürchtete, dass Ms. Feeny um diese Zeit schon Feierabend hatte. Zum Glück war sie aber noch im Büro. Er erklärte ihr, worum es ging, und sie bat ihn um eine Viertelstunde Geduld.
    »Ich schulde Ihnen was, Carol«, sagte er. Sie waren in den letzten drei Jahren dazu übergegangen, sich mit Rich und Carol anstatt mit Mr. Tozier und Ms. Feeny anzureden – eigentlich komisch, nachdem sie sich nur vom Telefon her kannten.
    »Okay, das können Sie sofort wiedergutmachen«, sagte Carol. »Machen Sie mal Kinky Briefcase für mich.«
    Sofort legte Richie los: »Hier ist Kinky Briefcase, Ihr Sexualberater – neulich kam ein Mann zu mir und wollte wissen, was das Schlimmste daran sei, wenn man Aids bekomme.« Seine Stimme war etwas tiefer geworden; gleichzeitig hatte sie einen munteren Klang bekommen – es war ohne jeden Zweifel eine amerikanische Stimme, und doch beschwor sie irgendwie das Bild eines wohlhabenden Kolonialbriten hervor, der ebenso charmant wie hohlköpfig war. Richie hatte selbst nicht die geringste Ahnung, wer Kinky Briefcase eigentlich war, aber er war überzeugt davon, dass der Mann weiße Anzüge trug, den Esquire las und irgendein Zeug trank, das in großen Gläsern serviert wurde und nach Shampoo mit Kokosnussaroma roch. »Ich hab ihm sofort gesagt: Am allerschlimmsten ist der Versuch, Ihrer Mutter zu erklären, wie Sie sich bei einem Mädchen auf Haiti angesteckt haben. So, das war’s für heute. Bis zum nächsten Mal verabschiedet sich von Ihnen Ihr Sexualberater Kinky Briefcase, dessen Wahlspruch lautet: ›Nur nach Kinkys Visitenkarte greifen, dann klappt’s bald wieder mit dem Steifen.‹«
    Carol Feeny kreischte vor Lachen. »Das ist perfekt! Perfekt! Mein Freund sagt, er glaube nicht, dass Sie diese Stimmen so einfach ohne Hilfsmittel hinkriegen, er sagt, Sie müssten dazu irgend so’n Gerät zur Stimmenveränderung oder so was Ähnliches haben …«
    »Talent und sonst nichts, meine Liebe«, sagte Rich. Kinky Briefcase war abgetreten. Jetzt war W. C. Fields am Apparat – Zylinder, rote Nase, Golftasche und so weiter. »Ich bin mit Talent so vollgepumpt, dass ich sämtliche Körperöffnungen verstopfen muss, damit es nicht aus mir rausläuft wie … na ja, damit es nicht ausläuft.«
    Carol lachte wieder schallend, und Rich schloss die Augen. Sein Kopf begann zu schmerzen.
    »Seien Sie ein Engel und tun Sie Ihr Möglichstes«, bat er – immer noch mit der

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