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Es: Roman

Es: Roman

Titel: Es: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Stimme von W. C. Fields – und legte den Hörer auf, während sie noch lachte.
    Jetzt musste er wieder er selbst sein, und das war schwierig – es fiel ihm von Jahr zu Jahr schwerer. Es war viel einfacher, tapfer zu sein, wenn man jemand anderer war.
    Er stöberte gerade nach einem Paar bequemer Treter und war nahe daran, sich mit Segeltuchschuhen zu begnügen, als das Telefon klingelte. Carol hatte in Rekordzeit alles arrangiert. Kurz verspürte er den Drang, seine Buford-Kissdrivel-Stimme aufzusetzen, verwarf den Gedanken dann aber wieder. Sie hatte es geschafft, ihm bei American Airlines ein Erste-Klasse-Ticket für den Nonstop-Flug nach Boston zu reservieren. Er würde Los Angeles um 21.03 Uhr verlassen und gegen fünf Uhr morgen früh am Logan International Airport landen. Um halb acht konnte er dann mit Delta von Boston nach Bangor in Maine weiterfliegen, wo er um 8.20 Uhr ankommen würde. Carol hatte bei Avis für ihn eine große Limousine vorbestellt, und vom Flughafen Bangor bis Derry seien es nur rund vierzig Kilometer, erklärte sie ihm.
    Nur rund vierzig Kilometer?, dachte Rich. Ist es nicht viel weiter? Na ja, in Kilometern stimmt’s vermutlich, Carol. Aber Sie haben nicht die leiseste Ahnung, wie weit es wirklich bis nach Derry ist, und ich auch nicht. Aber, o Gott, o mein Gott, ich werde es herausfinden.
    »Ich habe kein Hotelzimmer für Sie bestellt, weil ich nicht wusste, wie lange Sie in Derry bleiben«, sagte Carol. »Soll ich …«
    »Nein danke, das erledige ich selbst«, sagte Rich und dann übernahm Buford Kissdrivel: »Ah, mein Früchtchen, Sie waren mir eine echte Hilfe. Sehr süß von Ihnen. Fast süßer als die Früchtchen aus Dschordschia.«
    Er beendete das Gespräch – man sollte seine Hörer immer lachend zurücklassen – und wählte dann 207-555-1212, die Fernsprechauskunft für den Bundesstaat Maine, um sich die Nummer des Derry Town House geben zu lassen. O Gott, das war nun wirklich ein Name aus der Vergangenheit. Seit wie vielen Jahren hatte er nicht mehr an das Derry Town House gedacht? Seit zehn? Zwanzig? Fünfundzwanzig Jahren? So verrückt es auch zu sein schien, es musste wirklich mindestens fünfundzwanzig Jahre her sein, und wenn Mike nicht angerufen hätte, hätte er vermutlich überhaupt nie mehr im Leben daran gedacht. Und doch hatte es einmal eine Zeit gegeben, da er jeden Tag auf dem Schulweg an dem großen roten Ziegelbau vorbeiging – und manchmal rannte er auch daran vorbei, während Henry Bowers und Belch Huggins und dieser andere große Junge, Victor Sowieso, ihn verfolgten und Nettigkeiten brüllten wie: Wir kriegen dich schon noch, Pissnelke! Kriegen dich schon noch, du Klugscheißer! Kriegen dich schon noch, Vierauge! Aber hatten sie ihn jemals wirklich erwischt?
    Er versuchte noch, sich daran zu erinnern, als die Fernsprechauskunft sich meldete.
    »Ich hätte gern eine Nummer in Derry, Maine …«
    Derry! O Gott! Sogar das Wort klang in seinem Munde seltsam; es auszusprechen war, als würde man eine Antiquität küssen.
    »… und zwar die des Hotels ›Derry Town House‹.«
    »Einen Moment bitte.«
    Nichts zu machen. Es wird bestimmt nicht mehr da sein. Man wird es im Rahmen der Stadtsanierung abgerissen oder irgendeinem anderen Bestimmungszweck zugeführt haben. Vielleicht ist es auch abgebrannt, weil irgendein betrunkener Vertreter im Bett geraucht hat. Nicht mehr da, Richie – genauso wie die Brille, mit der Henry Bowers dich immer gehänselt hat. Wie heißt es doch noch in einem Springsteen-Song? »Glory days … gone in the wink of a young girl’s eye.« Das Zwinkern eines jungen Mädchens … Welches Mädchen denn? Nun, natürlich Bev. Bev…
    Aber wider jede Erwartung existierte das Town House noch, denn eine ausdruckslose, roboterartige Stimme gab ihm die Nummer durch: »9 … 4 … 1 … 8 … 2 … 8 … 2. Ich wiederhole: Die Nummer ist …«
    Aber Rich hatte sie schon beim ersten Mal verstanden. Es war ein Vergnügen, diese dröhnende Stimme einfach durch Auflegen zu unterbrechen – man konnte sich nur allzu leicht ein großes kugelförmiges Auskunftsmonster irgendwo unter der Erde vorstellen, das Nieten schwitzte und Tausende Telefonkabel in Tausenden Chromtentakeln hielt – Ma Bells Version von Spidermans Nemesis, Dr. Octopus. Jedes Jahr kam die Welt, in der er lebte, Rich mehr wie ein riesiges elektronisches Spukhaus vor, in dem Digitalgespenster und verängstigte Menschen eine unbehagliche Koexistenz führten.
    Still standing. Um

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