Es: Roman
im Mittelalter bei jenen der Fall gewesen war, die glaubten, dass Gott durch ihren Mund spreche. Und doch erkannte er diese Stimme und identifizierte sie als die eigene. Er spürte, wie ihm Schweiß auf die Stirn trat.
»Ich könnte Ihnen dafür
(sogar noch feiste Geister)
einen guten Preis machen«, sagte der Ladenbesitzer. »Ich krieg’ ihn für zweihundertfünfzig nicht los. Wie wär’s mit hundertfünfundsiebzig? Dieser Stab ist die einzige echte Antiquität, die ich habe.«
»Es ist n-n-nicht der SCH-SCH-SCH-STAB. « Als er das Wort endlich hervorbrachte, klang es fast wie ein Schrei, und der Mann zuckte zusammen. »An dem Stab b-b-bin ich n-nicht interessiert.«
»Sind Sie okay, Mister?«, fragte der Ramschhändler. Sein besorgter Ton konnte nicht über den misstrauischen Blick seiner Augen hinwegtäuschen, und Bill sah, dass seine linke Hand plötzlich vom Schreibtisch glitt. Bill begriff intuitiv, dass weiter unten bestimmt eine offene Schublade war und dass der Mann jetzt irgendeine Schusswaffe griffbereit zur Hand hatte. Er hatte vermutlich Angst, überfallen zu werden; wahrscheinlicher war aber, dass er einfach nur Angst hatte. Der Mann war schwul, das stand außer Zweifel, und er lebte in einer Stadt, in der einheimische Jugendliche Adrian Mellon ertränkt hatten.
(er ficht gar furchtlos kalt sogar noch feiste Geister)
Dieser blödsinnige Satz machte ihn noch ganz verrückt! Wo war er nur hergekommen?
(er ficht)
Immer wieder von vorn …
Mit enormer Willenskraft ging Bill plötzlich dagegen an. Er zwang sich, den unsinnigen Satz ins Französische zu übersetzen. Es war die gleiche Methode, die er als Teenager angewandt hatte, um sein Stottern zu überwinden. Während die Wörter durch seinen Kopf wanderten, übersetzte er sie... und plötzlich spürte er, wie das Stottern von ihm abfiel.
Dann wurde ihm bewusst, dass der Händler etwas gesagt hatte.
»Wie b-b-bitte?«
»Ich sagte, bevor Sie einen Anfall bekommen, gehen Sie lieber raus auf die Straße. Ich kann hier drin so einen Scheiß nicht gebrauchen.«
Bill holte tief Luft.
»Fangen wir noch einmal g-ganz von vorn an«, sagte er. »Stellen Sie sich vor, ich wäre g-gerade erst reingekommen.«
»Okay«, meinte der Mann. »Sie sind also gerade erst reingekommen. Und was jetzt?«
»Das F-F-Fahrrad im F-Fenster«, sagte Bill. »Wie viel wollen Sie dafür?«
»Sagen wir mal – zwanzig Dollar«, erwiderte der Besitzer. Er hatte sich offensichtlich etwas beruhigt, aber seine linke Hand war noch nicht wieder zum Vorschein gekommen. »Es muss wohl vor langer Zeit ein Schwinn gewesen sein, aber jetzt ist’s nur noch ein alter Bastard.« Er maß Bill mit Blicken. »Es ist ein großes Rad. Sie könnten sogar selbst damit fahren.«
Bill dachte an das grüne Skateboard des Jungen und sagte: »Die Zeiten, in denen ich g-geradelt bin, sind, g-glaube ich, vorbei.«
Der Mann zuckte die Achseln. Seine linke Hand kam wieder zum Vorschein. »Haben Sie einen Jungen?«
»J-Ja.«
»Wie alt ist er denn?«
»E-E-Elf.«
»Bisschen großes Rad für’nen Elfjährigen.«
»Nehmen Sie einen Traveller-Scheck?«
»Wenn er den Kaufpreis um nicht mehr als zehn Dollar übersteigt.«
»Ich kann Ihnen einen über zwanzig Dollar geben«, sagte Bill. Er machte eine Kopfbewegung in Richtung Schreibtisch. »Dürfte ich mal telefonieren?«
»Ja, wenn es ein Ortsgespräch ist.«
»Das ist es.«
»Bitte sehr.«
Bill rief in der Stadtbücherei an. Mike war dort. »Wo bist du, Bill?«, fragte er und fügte sogleich hinzu: »Ist bei dir alles in Ordnung?«
»Alles bestens«, erwiderte Bill. »Bist du einem von den anderen begegnet?«
»Nein«, sagte Mike. »Wir werden sie heute Abend sehen.« Kurze Pause. »Ich hoffe es wenigstens. Was kann ich für dich tun, Big Bill?«
»Ich bin gerade dabei, ein Fahrrad zu kaufen«, sagte Bill ruhig. »Und ich wollte fragen, ob ich’s zu dir bringen kann. Hast du eine Garage oder irgend so was, wo ich’s unterstellen könnte?«
Am anderen Ende der Leitung herrschte Schweigen.
»Mike? Bist du …«
»Ich bin noch dran«, sagte Mike. »Es ist Silver, nicht wahr?«
Bill warf einen Blick auf den Ramschhändler. Er las wieder … oder vielleicht schaute er auch nur pro forma ins Buch und hörte in Wirklichkeit aufmerksam zu.
»Ja«, sagte er deshalb nur.
»Wo bist du jetzt?«
»In einem Laden namens Secondhand Rose, Secondhand Clothes.«
»In Ordnung«, sagte Mike. »Ich wohne in der Palmer Lane 61. Du musst die Main
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