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Es: Roman

Es: Roman

Titel: Es: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Augen anstarrte. Er hatte eine Gänsehaut am ganzen Körper. Seine Stirn war heiß, seine Hände eiskalt, und einen Moment lang glaubte er, dass alle Türen in seinem Innern sich jetzt weit öffnen würden und dass er sich dann an alles erinnern würde.
    Im rechten Schaufenster stand Silver.
    Es hatte immer noch keinen Ständer, die Schutzbleche waren voller Rost, aber die Hupe befand sich noch an der Lenkstange, ihr schwarzer Gummibalg war jetzt aber viel rissiger als früher, und ihre Metallteile, die Bill immer sorgfältig poliert hatte, waren matt und gleichfalls rostig. Der Gepäckträger, auf dem er Richie so viele Male mitgenommen hatte, war verbogen und hing nur noch an einem Bolzen. Jemand hatte den Sattel irgendwann einmal mit einem Stoff, der wie Tigerfell aussah, überzogen. Er war jetzt so abgewetzt und dünn, dass man die Streifen kaum noch erkennen konnte.
    Silver.
    Bill wollte lachen und bemerkte, dass ihm Tränen über die Wangen liefen. Langsam zog er ein Taschentuch aus der Tasche seines Sportsakkos und wischte die Tränen fort. Dann betrat er den Laden.
    Es roch muffig im Secondhand Rose, Secondhand Clothes. Es roch tatsächlich, wie das Mädchen gesagt hatte, wie auf einem Dachboden, aber es war kein angenehmer Geruch. Dies war nicht der Duft kostbaren alten Samtes und Plüschs, nicht der Geruch von Leinöl, mit dem Antiquitäten sorgsam gepflegt wurden. Hier roch es nach modrigen Bucheinbänden, schmutzigen Vorhängen, Staub und Mäusedreck.
    Aus dem Fernseher im Schaufenster erscholl das Gejaule der Brady-Familie. Damit konkurrierte Rockmusik, die irgendwo aus dem Hintergrund des Ladens kam und von einem DJ angesagt wurde, der sich selbst »euer Freund Bobby Russell« nannte. Er versprach demjenigen Anrufer, der ihm den Namen des Schauspielers nennen würde, der in Erwachsen müsste man sein den Wally gespielt hatte, die neue Prince-LP. Bill wusste, dass es ein Junge namens Tony Dow gewesen war, aber er wollte die neue Prince-LP nicht. Das Radio stand auf einem hohen Regal zwischen einigen Porträts aus dem 19. Jahrhundert. Darunter saß der Besitzer, ein etwa vierzigjähriger Mann in Jeans und Netzhemd. Sein Haar war glatt zurückgekämmt, und er war furchtbar mager. Seine Füße lagen auf dem Schreibtisch, auf dem sich Kassenbücher türmten und eine alte verschnörkelte Registrierkasse den meisten Platz einnahm. Er las einen Taschenbuchroman mit dem Titel Wenn der Klempner zweimal klingelt, der bestimmt nie für den Pulitzerpreis vorgeschlagen worden war. Auf dem Boden vor dem Schreibtisch lag ein spiralförmig gestreifter Barbierstab, einstmals das Symbol dieses Handwerks. Seine abgenutzte Kordel wand sich über den Boden wie eine müde Schlange zu einer Fußleistensteckdose, und auf dem dazugehörenden Schild stand: EINES DER LETZTEN EXEMPLARE! 250 DOLLAR.
    Als die Glocke über der Tür klingelte, legte der Mann am Schreibtisch ein Streichholzheftchen als Lesezeichen in sein Buch und blickte hoch. »Kann ich Ihnen behilflich sein?«
    »Ja«, sagte Bill und öffnete den Mund, um nach dem Fahrrad im Schaufenster zu fragen. Aber noch bevor er etwas sagen konnte, drängte sich ihm plötzlich ein einziger Satz auf und ließ keinen Raum mehr für irgendeinen anderen Gedanken.
    Im finstren Föhrenwald, da wohnt ein greiser Meister. Er ficht gar furchtlos kalt sogar noch feiste Geister.
    Was in aller Welt …?
    (ficht …)
    »Suchen Sie etwas Bestimmtes?«, fragte der Ladenbesitzer. Seine Stimme war äußerst höflich, aber er sah Bill etwas misstrauisch an.
    Er sieht mich an, dachte Bill trotz der Anspannung amüsiert, als wüsste er, dass ich was von dem Zeug geraucht habe, von dem Jazzmusiker high werden.
    »Ja, ich i-i-interessiere m-m-m-mich …«
    (gar furchtlos kalt)
    »… f-f-für d-d-d-d-…«
    »Für den Barbierstab?«, fragte der Mann, und in seinen Augen las Bill etwas, an das er sich trotz seines momentan verwirrten Geisteszustands sofort erinnerte und das er von Kindheit an gehasst hatte: die Ungeduld eines Menschen, der einem Stotterer zuhören muss und ihm rasch ins Wort fällt und seinen Satz beendet, um den armen Behinderten zum Schweigen zu bringen. Aber ich stottere nicht!, schrie Bill lautlos. Ich hab’s überwunden! Verdammt; ICH BIN KEIN STOTTERER! Ich …
    (sogar noch)
    Er hörte die Wörter so deutlich, als spräche jemand anderer in seinem Kopf, als hätte irgendeine fremde Macht von ihm Besitz ergriffen, wie es in biblischen Zeiten bei den von Dämonen Besessenen oder

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