Es: Roman
dieser Stelle war ihm der Geduldsfaden gerissen. Er hatte dem Typen, einem fetten, schwitzenden Mann, der bestialisch stank, erklärt, er könne ihn mal am Arsch lecken. Der Gewerkschaftsboss erwiderte darauf, Freddie solle lieber vorsichtig sein mit dem, was er sagte, sonst würden ihm für seinen Film keine Stunts mehr zur Verfügung stehen; dann machte er mit Daumen und Zeigefinger eine »Bakschisch«-Geste, die Freddie zur Weißglut trieb. Der Gewerkschaftsboss war zwar groß, aber weichlich; Freddie, der immer noch jede Gelegenheit zum Footballspielen ausnutzte und früher auch ein erstklassiger Kricketspieler gewesen war, hatte das Arschloch hinausgeworfen und sich zum Nachdenken in sein Büro zurückgezogen. Zwanzig Minuten später kam er wieder zum Vorschein und brüllte nach Bill. Er wollte die ganze Szene so umgeschrieben haben, dass der Sturz gestrichen werden konnte. Audra hatte ihm daraufhin mitteilen müssen, dass Bill nicht mehr in England war.
»Was?«, sagte Freddie. Ihm klappte der Unterkiefer herunter, und er starrte Audra an, als hätte sie den Verstand verloren. »Was erzählst du da?«
»Er ist in die Staaten zurückgerufen worden, das sage ich dir doch.«
Freddie machte eine Geste, als wollte er sie packen, und Audra wich etwas erschrocken einen Schritt nach hinten. Freddie betrachtete seine Hände, schob sie in die Hosentaschen und starrte sie nur weiter an.
»Es tut mir leid, Freddie«, sagte sie leise. »Wirklich.«
Sie schenkte sich eine Tasse Kaffee aus der Glaskanne auf Freddies Wärmplatte ein. Ihre Hände zitterten leicht. Sie setzte sich und hörte, wie Freddie durch die Studiolautsprecher allen mitteilte, sie könnten nach Hause oder in den Pub gehen; die Dreharbeiten seien für heute beendet. Audra zuckte zusammen. Da gingen mindestens zehntausend Pfund einfach den Bach runter.
Freddie schaltete die Sprechanlage aus, stand auf, warf Audra einen prüfenden Blick zu und schenkte sich auch Kaffee ein. Er setzte sich und bot ihr eine Zigarette an.
Audra schüttelte den Kopf.
Freddie zündete sich eine an und betrachtete sie durch den Rauch. »Es ist etwas Ernstes, ja?«
»Ja«, antwortete Audra. Sie kämpfte mit den Tränen.
»Was ist passiert?«
Und weil sie Freddie wirklich gern hatte und ihm vertraute, erzählte Audra ihm alles wahrheitsgetreu. Freddie hörte sehr aufmerksam und ernst zu. Audras Bericht nahm nicht viel Zeit in Anspruch. Auf dem Parkplatz wurden immer noch Wagentüren zugeschlagen und Motoren angelassen, als sie schon fertig war.
Freddie schwieg länger und blickte nachdenklich aus dem Fenster. Schließlich wandte er sich wieder Audra zu. »Er muss einen Nervenzusammenbruch erlitten haben«, sagte er.
Audra schüttelte den Kopf. »Nein. So war es nicht. Er war völlig vernünftig.« Sie schluckte, dann fügte sie hinzu: »Vielleicht hättest du dabei sein müssen.«
Freddie lächelte schief. »Dir muss doch auch klar sein, dass erwachsene Männer sich im Allgemeinen nicht an irgendwelche Versprechen gebunden fühlen, die sie als kleine Jungen gemacht haben. Und du hast doch Bills Bücher gelesen; du weißt, dass er unheimlich viel über Kinder schreibt, und das kann er ausgezeichnet. Die Idee, dass er alles vergessen hat, was in seiner Kindheit passiert ist, ist doch völlig absurd.«
»Diese Narben auf seiner Hand«, sagte Audra. »Sie waren nicht da. Bis heute Morgen waren sie nie da.«
»Blödsinn! Sie sind dir nur nie aufgefallen.«
Sie zuckte hilflos mit den Schultern und konnte nur sagen: »Sie wären mir aufgefallen.«
An seinem Blick erkannte sie, dass er ihr nicht glaubte.
»Also, was machen wir jetzt?«, fragte Freddie, aber sie konnte nur den Kopf schütteln. Freddie zündete sich eine neue Zigarette an. »Die Sache mit dem Gewerkschaftsboss lässt sich ausbügeln«, sagte er nachdenklich. »Mir selbst würde er natürlich im Moment um nichts in der Welt einen anderen Stunt geben. Ich werde am besten Teddy Rowland zu ihm schicken. Teddy ist eine Schwuchtel, aber ein wahrer Überredungskünstler. Nur was dann? Wir haben noch vier Wochen Dreharbeiten vor uns, und dein Mann macht sich einfach aus dem Staub, fliegt nach Massachusetts …«
»Maine …«
Er winkte ab. »Wohin auch immer. Und wirst du ohne ihn in Form sein?«
»Ich …«
Er beugte sich vor. »Ich hab dich gern, Audra. Ich hab dich aufrichtig gern. Und Bill mag ich ebenfalls – trotz dieser Scheiße, in die er mich reingeritten hat, mag ich ihn. Wir können’s schaffen,
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