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Es: Roman

Es: Roman

Titel: Es: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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seine Gefühle richtig vermitteln kann? In einem Buch oder Film hätte das, was ich an jenem Tag erfuhr, mein ganzes Leben verändert, und nichts wäre so gekommen, wie es tatsächlich kam … In einem Buch oder Film hätte diese Sache mich frei gemacht. In einem Buch oder Film hätte ich nicht eine ganze Reisetasche voller Medikamente im Hotel stehen, ich wäre nicht mit Myra verheiratet, ich hätte jetzt auch nicht dieses verdammte Asthma-Spray bei mir. In einem Buch oder Film. Denn …
    Plötzlich – alle sehen es – rollt Eddies Asthma-Spray mit einem trockenen Rasseln, das sich anhört wie das Klappern von Knochen, über den Tisch … oder wie leises Gelächter. Am anderen Tischende, zwischen Richie und Ben, springt es etwas hoch und fällt dann zu Boden. Richie will es aufheben, aber Bill ruft scharf: »R-R-Rühr ihn n-nicht an!«
    »Die Ballons!«, schreit Ben, und alle reißen den Kopf herum.
    Auf beiden am Mikrofilmgerät festgebundenen Ballons steht jetzt: ASTHMAMEDIZIN VERURSACHT KREBS! Und darunter grinsende Totenschädel.
    Dann platzen beide Luftballons mit lautem Knall.
    Eddie starrt mit trockenem Mund, und er hat das altvertraute Gefühl, keine Luft zu bekommen.
    Bill wendet seinen Blick wieder ihm zu. »W-Wer hat dir etwas erzählt, und w-w-was w-war das?«
    Eddie fährt sich mit der Zunge über die Lippen. Am liebsten würde er aufstehen und sein Asthma-Spray holen, aber er traut sich nicht. Wer weiß, was es jetzt enthalten könnte?
    Er denkt an jenen Tag, an den 20. Juli. Es war heiß, und seine Mutter hatte ihm einen Scheck gegeben, auf dem nur der Betrag noch nicht eingesetzt war, sowie einen Dollar Taschengeld.
    »Mr. Keene«, sagt er, und seine eigene Stimme dringt wie aus weiter Ferne an seine Ohren und kommt ihm sonderbar kraftlos vor. »Es war Mr. Keene.«
    Ja, es war heiß an jenem Tag, aber im Center Street Drugstore war es herrlich kühl, die Ventilatoren waren eingeschaltet, und es roch angenehm nach verschiedenen Pulvern und geheimnisvollen Mixturen. Dies war der Ort, wo Gesundheit verkauft wurde – das war die nie ausgesprochene, aber klar kommunizierte Überzeugung seiner Mutter, und Eddie hatte keinerlei Anlass zu glauben, dass seine Mutter sich in dieser Beziehung (oder einer anderen) irren könnte.
    Na ja, dieser Überzeugung hatte Mr. Keene ein Ende gesetzt, denkt er jetzt und verspürt eine Art süßen Zorns.
    Er erinnert sich, dass er vor dem Drehständer mit Comics gestanden und nachgeschaut hatte, ob es neue Nummern von Batman oder Superboy oder Plastic Man gab. Er hatte Mr. Keene die Liste (sie schickte ihn zum Drugstore, wie andere Mütter ihre Kinder zum Supermarkt schickten) und den Scheck seiner Mutter übergeben, und Mr. Keene würde wie immer den Betrag auf dem Scheck einsetzen und Eddie eine Quittung geben. Drei verschiedene Medikamente für seine Mutter, außerdem noch eine Flasche Geritol, weil es, wie sie ihm einmal geheimnisvoll erklärt hatte, »viel Eisen enthält, und Frauen brauchen mehr Eisen als Männer«. Dann noch seine Vitaminpillen, eine Flasche Dr. Swetts Elixier für Kinder … und natürlich seine Asthmamedizin.
    Es war alles so wie immer gewesen, und er hatte vorgehabt, sich hinterher im Markt in der Costello Avenue zwei Schokoriegel und eine Pepsi zu kaufen; auf dem Heimweg würde er dann die Riegel essen, die Pepsi trinken und vergnügt mit dem Kleingeld in seiner Tasche klimpern. Aber es war ganz anders gekommen – er war an diesem Tag im Krankenhaus gelandet, und das war nun wirklich etwas völlig Neues gewesen, aber das Neue hatte schon begonnen, als Mr. Keene ihn gerufen hatte. Denn anstatt ihm wie sonst immer die große weiße Tüte voller Medikamente auszuhändigen und ihm zu raten, die Quittung in die Tasche zu stecken, um sie nicht zu verlieren, hatte Mr. Keene ihn nachdenklich angesehen und gesagt: »Komm mal

2
     
    mit nach hinten in mein Büro, Eddie. Ich möchte kurz mit dir sprechen.«
    Eddie warf ihm einen flüchtigen Blick zu und zwinkerte beunruhigt. Ihm schoss die Idee durch den Kopf, dass Mr. Keene ihn vielleicht des Ladendiebstahls verdächtigte. Da hing dieses Schild an der Tür, das er beim Betreten des Drugstores immer las, anklagende schwarze Buchstaben, die so groß waren, dass selbst Richie Tozier sie auch ohne Brille würde lesen können: LADENDIEBSTAHL IST KEIN KAVALIERS-DELIKT! LADENDIEBSTAHL IST EIN VERBRECHEN UND WIRD VON UNS STRAFRECHTLICH VERFOLGT!
    Eddie hatte noch nie etwas in einem Laden gestohlen, aber dieses

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