Es: Roman
Woche lang an. Die Innenstadt von Derry wurde überflutet, was nicht ungewöhnlich war, aber die vornehmen Häuser am West Broadway standen viel höher als die in der Innenstadt, und in einigen dieser Häuser konnte man bestimmt erleichterte Seufzer hören. »Soll der verrückte Frankokanadier sich ruhig den ganzen Winter über in den Wäldern verstecken, wenn er will«, mögen sie gesagt haben. »In diesem Sommer wird er keine Brände mehr legen können, und irgendwann kriegen wir ihn schon noch.«
Und dann kam der 9. September. Ich habe keine Erklärung für das, was passierte; auch Thoroughgood hatte keine; soviel ich weiß, hatte niemand eine. Ich kann nur die Ereignisse zu Papier bringen.
Das Sleepy Silver Dollar war voll mit biertrinkenden Holzfällern. Draußen brach an diesem regnerischen Tag die Abenddämmerung herein. Der Kenduskeag führte sehr viel Wasser und war trübe, und ein starker herbstlicher Wind wehte – »die Art Wind, die jedes Loch in der Hose findet und einem direkt in den Arsch bläst«, um mit Egbert Thoroughgood zu reden. Die Straßen waren morastig. An einem der Tische im Hintergrund der Kneipe spielten William Muellers Männer Karten. Mueller war Teilhaber der GS&WM-Eisenbahnlinie, und außerdem gehörten ihm Millionen Hektar erstklassigen Waldbestands, und die Männer, die an jenem Abend im Silver Dollar Karten spielten, arbeiteten teils als Holzfäller, teils bei der Eisenbahn und waren allesamt üble Unruhestifter. Zwei von ihnen, Tinker McCutcheon und Floyd Calderwood, hatten schon im Gefängnis gesessen. Die anderen waren Lathrop Rounds (der aus unbekannten Gründen den Spitznamen El Katook hatte), David »Stugley« Grenier und der bärtige Eddie King, dessen Brillengläser fast ebenso dick waren wie sein Wanst. Es ist sehr wahrscheinlich, dass sie zu den Männern gehörten, die in den vorangegangenen zweieinhalb Monaten nach Claude Heroux Ausschau gehalten hatten. Und ebenso wahrscheinlich ist es – obwohl es keinen Beweis dafür gibt -, dass sie bei der kleinen Mörderparty im Mai mitgewirkt hatten, bei der Hartwell und Bickford ums Leben gekommen waren.
Die Kneipe war überfüllt; mehrere Dutzend Männer drängten sich dort, tranken Bier, aßen eine Kleinigkeit an der Bar und spuckten auf den mit Holzspänen bestreuten Boden.
Die Tür öffnete sich, und Claude Heroux kam herein. Er hatte eine Holzfälleraxt mit zwei Schneiden, von den Holzfällern »Zweihänder« genannt, in der Hand. Er ging an die Bar und verschaffte sich mit den Ellbogen Platz. Egbert Thoroughgood stand links von ihm und erzählte, Heroux habe nach Iltispisse gestunken. Der Barkeeper brachte Heroux einen Humpen Bier, zwei hart gekochte Eier in einer Schüssel und einen Salzstreuer. Heroux bezahlte mit einem Zweidollarschein und schob das Wechselgeld – einen Dollar fünfundachtzig -in eine der Taschen seiner Holzfällerjacke. Er salzte seine Eier und aß sie. Er salzte sein Bier, trank es aus und rülpste.
»Hast recht, Claude, schaff Platz für Nachschub«, sagte Thoroughgood, so als hätten nicht den ganzen Sommer über gewisse Leute fieberhaft nach Heroux gesucht.
»Weißt du, das stimmt haargenau «, sagte Heroux.
Er bestellte sich noch einen Humpen Bier, trank es aus und rülpste wieder. Zahlreiche Leute begrüßten Claude mit lautem Hallo. Er nickte und winkte ihnen zu, aber er lächelte nicht, und Thoroughgood sagte, Heroux hätte auf ihn den Eindruck gemacht, als träume er halb. An dem Tisch ganz im Hintergrund der Kneipe ging das Kartenspiel weiter. El Katook teilte gerade aus. Niemand machte sich die Mühe, den Spielern zu sagen, dass Claude Heroux an der Bar trank … obwohl es schier unverständlich ist, wie sie seine Anwesenheit nicht bemerken konnten, nachdem ihr Tisch keine sechs Meter von der Bar entfernt war und zahlreiche Leute, die ihn kannten, ihn doch lautstark begrüßten, wobei auch sein Name mehrmals fiel. Aber es war nun mal so – sie spielten seelenruhig Karten.
Nachdem Heroux sein zweites Bier ausgetrunken hatte, entschuldigte er sich bei Thoroughgood, hob seine Axt auf, ging zu dem Tisch, an dem Muellers Männer pokerten, und begann sein blutiges Werk.
Floyd Calderwood hatte sich gerade ein Glas Whiskey eingegossen und stellte die Flasche auf den Tisch, als Heroux am Tisch ankam, seine Axt niedersausen ließ und Calderwoods Handgelenk traf. Calderwood schaute auf seine Hand und schrie; sie hielt noch die Flasche fest, aber sie selbst hatte nirgends mehr Halt. Einen
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