Es: Roman
fragend an, der mit hochrotem Kopf und ziemlich atemlos bei ihnen ankam.
»Sie sagt, Henry sei verrückt, Big Bill«, berichtete Ben.
»Teufel auch, soll das heißen, er war schon mal richtig im Kopf?«, fragte Richie und spuckte zwischen den Zähnen aus.
»Ha-Ha-Halt die K-Klappe, Richie«, sagte Bill und sah dann wieder Beverly an. »W-W-Was ist l-los?« Eddie schob bei diesen Worten seine Hand in die Tasche und berührte sein Asthma-Spray. Er wusste zwar noch nicht, was los war, aber ihm war schon jetzt klar, dass es sich um etwas Schlimmes handelte.
Beverly zwang sich zur Ruhe und erzählte, was passiert war – es war allerdings nur ein verkürzter Situationsbericht, der damit begann, wie Henry und die anderen sie auf der Straße gefangen hatten. Von ihrem Vater erzählte sie ihnen nichts – sie schämte sich dieser Sache viel zu sehr.
Nachdem sie geendet hatte, stand Bill schweigend mit gesenktem Kopf da, die Hände in den Hosentaschen, Silvers Lenkstange an die Brust gelehnt. Die anderen warteten geduldig, warfen dabei aber immer wieder nervöse Blicke über das Geländer auf den Abhang und hielten Ausschau nach den drei großen Jungen. Bill dachte lange nach, und niemand störte ihn dabei. Es kam Eddie plötzlich in den Sinn, dass das der Auftakt zum Schlussakt sein könnte und dass die unnatürliche Stille irgendwie dazugehörte – jener Eindruck, als hätten sämtliche Einwohner die Stadt verlassen, als wären nur noch die leeren Hülsen der Gebäude da.
Richie dachte an das Bild in Georges Album, das plötzlich lebendig geworden war.
Beverly dachte an ihren Vater, wie fahl seine Augen gewesen waren.
Mike dachte an den Vogel.
Ben dachte an die Mumie und an einen Geruch wie nach totem Zimt.
Stan Uris dachte an Jeans, schwarze, tropfende Jeans, und an leichenblasse, vom Wasser verschrumpelte Hände.
»K-K-Kommt«, sagte Bill schließlich. »W-Wir gehen r-r-r-runter.«
»Bill …«, brachte Ben gequält hervor. »Beverly sagt, dass Henry verrückt ist. Ich meine, wirklich verrückt. Sie sagt, er hätte sie töten …«
»D-Das alles gehört n-n-n-nicht ihnen!«, sagte Bill und deutete demonstrativ auf die riesige grüne Fläche der Barrens rechts unter ihnen – auf das dichte Unterholz, die Büsche und Bäume, die Bambusstauden, das funkelnde Wasser des Kenduskeags. »Die B-B-Barrens s-sind nicht ihr Eigent-t-tum!« Er blickte mit grimmigem Gesicht in die Runde. »Ich hab’s s-s-satt, vor ihnen A-A-Angst z-zu haben. Wir haben sie in der Sch-Sch-Stein-sch-schlacht besiegt, und wenn es sein muss, k-k-k-können wir sie w-wieder b-besiegen.«
»Aber, Bill«, wandte Eddie ein, »was ist, wenn es nicht nur sie sind?«
Bill wandte sich ihm zu, und Eddie stellte entsetzt fest, wie erschöpft, bleich und angespannt Bill aussah – dieses Gesicht hatte etwas Furchterregendes an sich, aber erst sehr viel später, kurz vor dem Einschlafen nach dem Treffen in der Bücherei, begriff er, woran das lag: Es war das Gesicht eines Jungen, der an den Rand des Wahnsinns getrieben worden war, eines Jungen, der letztlich vielleicht ebenso wenig Herr seiner eigenen Entscheidungen war wie Henry. Aber der eigentliche Bill war trotzdem noch da, sah Eddie aus jenen gehetzten, verwundeten Augen an … ein zorniger, zu allem entschlossener Bill.
»Na und«, sagte er, »was ist d-d-dann? «
Niemand antwortete ihm. Der Donner grollte, jetzt schon näher. Eddie blickte zum Himmel empor und sah von Westen her große schwarze Gewitterwolken aufziehen. Es würde schütten wie aus Kübeln, wie seine Mutter immer sagte.
»Ich s-s-sag euch jetzt mal w-was!«, rief Bill. »K-K-Keiner von euch b-braucht mitzugehen, wenn er n-nicht w-w-will. Es liegt g-ganz bei euch.«
»Ich komme mit, Big Bill«, sagte Richie ruhig.
»Ich auch«, sagte Ben.
»Klar«, sagte Mike achselzuckend.
Beverly und Stan erklärten ebenfalls, sie würden mitkommen, und zuletzt auch Eddie.
»Ich glaube, du solltest lieber nicht mitkommen, Eddie«, meinte Richie. »Weißt du, dein Arm sieht nicht allzu gut aus.«
Eddie sah Bill an.
»Ich w-w-will aber, dass er m-mit von der P-P-Partie ist«, sagte Bill. »Du b-bleibst einfach in m-m-meiner N-Nähe, Eddie. Ich p-p-pass schon auf dich auf.«
»Danke, Bill«, sagte Eddie und musste gegen seine Tränen ankämpfen. Bills müdes, nervöses Gesicht kam ihm plötzlich wunderschön vor – er liebte dieses Gesicht. Er war ziemlich durcheinander und dachte: Ich würde für ihn sterben, glaube ich, wenn er mich
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