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Es: Roman

Es: Roman

Titel: Es: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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ich doch nur wieder alles vergessen könnte.
    Er lehnte die Stirn gegen das schmutzige Glas des Abteilfensters, umklammerte das Asthma-Spray mit einer Hand wie einen religiösen Talisman, und beobachtete, wie die Nacht den Zug umfing.
    Nach Norden, dachte er, aber das war falsch.
    Nicht nach Norden, denn das hier ist kein Zug; es ist eine Zeitmaschine. Nicht nach Norden, sondern zurück. In der Zeit zurück.
    Er dachte, er hätte den Mond etwas murmeln hören.
    Eddie Kaspbrak umklammerte sein Asthma-Spray und schloss die Augen, denn ihm wurde schwindelig.

5. Beverly Rogan nimmt Vernunft an
     
    Tom war schon fast eingeschlafen, als das Telefon läutete. Er richtete sich etwas auf und fühlte dann Beverlys Brust auf seiner Schulter, als sie über ihn hinweg nach dem Hörer griff. Er ließ den Kopf wieder aufs Kissen sinken und überlegte vage, wer wohl an ihre private Nummer herangekommen war, die nicht im Telefonbuch stand, und wer um diese Uhrzeit anrufen mochte. Er hörte Beverly »Hallo« sagen, dann schlummerte er wieder ein. Während der Übertragung des Baseballspiels hatte er drei Sechserpackungen Bier getrunken, und er war ziemlich erledigt.
    Er schlummerte ein, aber dann sagte Beverly plötzlich so scharf »Waaaaas?«, dass er die Augen wieder öffnete. Er versuchte sich aufzusetzen, und die Telefonschnur schnitt in seinen dicken Hals.
    »Schaff mir dieses verdammte Ding vom Hals, Beverly«, knurrte er, und sie stand rasch auf und ging um das Bett herum, während sie die Schnur mit spitzen Fingern hochhielt. Ihre Haare waren tiefrot und fluteten in natürlichen Wellen über ihr Nachthemd fast bis zur Taille hinab. Ihre Augen flatterten nicht unruhig zu seinem Gesicht, versuchten nicht, ängstlich seine Stimmung daran abzulesen, und das gefiel Tom Rogan nicht. Er richtete sich auf. Sein Kopf schmerzte. Scheiße, der Kater hatte bereits eingesetzt, aber wenn man schlief, merkte man das nicht.
    Er ging ins Bad, urinierte gefühlte drei Stunden lang und beschloss dann, dass er sich eigentlich noch ein Bier holen könnte, nachdem er ohnehin schon aufgestanden war, um zu versuchen, dem drohenden Kater zuvorzukommen.
    Auf dem Weg zur Treppe rief er – ein Mann in weißen Boxershorts, die wie Segel unter seinem Bierbauch hingen, mit Armen wie dicke Würste (er glich mehr einem Hafenarbeiter als dem Geschäftsführer und Manager von Beverly Fashions) – ihr zu: »Wenn es diese Bulldogge von Lesley ist, dann sag ihr, dass sie sich irgendein Mannequin aufgabeln und uns in Ruhe lassen soll.«
    Beverly blickte kurz hoch, schüttelte den Kopf zum Zeichen, dass es nicht Lesley war, und starrte dann wieder aufs Telefon. Tom spürte, wie sich die Muskeln in seinem Nacken anspannten. Es kam ihm vor, als hätte sie ihn weggeschickt. Mylady ließ ihn also wegtreten! Ach ja? Ärger lag deutlich spürbar in der Luft. Vielleicht brauchte sie einen Auffrischungskurs in »Wer ist hier Herr im Haus«. Wieder einmal. Sie lernte sehr langsam.
    Er ging nach unten, stapfte den Flur entlang zur Küche, während er geistesabwesend den Hosenboden der Shorts aus seiner Arschritze zog, und öffnete den Kühlschrank. Seine Hand tastete herum und fand nichts Alkoholhaltigeres als eine blaue Tupperdose mit einem Rest Nudeln Romanoff. Keine einzige Dose Bier mehr. Selbst die Dose, die er immer im Kühlschrank immer ganz nach hinten stellte (genauso wie er für alle Fälle einen Zwanzigdollarschein hinter seinem Führerschein steckte), war weg. Das Spiel hatte sich über vierzehn Innings hingezogen – für nichts und wieder nichts. Die White Sox hatten verloren. Was für ein Haufen Zuckerärsche sie in diesem Jahr doch waren.
    Sein Blick schweifte zu den hochprozentigen Flaschen auf dem Glasregal über der Bar, und einen Moment lang stellte er sich vor, wie er sich Jim Beam über einen einzelnen Eiswürfel goss. Dann ging er wieder auf die Treppe zu, denn er wusste genau, dass er morgens noch schlimmeres Kopfweh haben würde, wenn er jetzt etwas von dem Zeug trank. Er warf einen Blick auf die alte Pendeluhr im Flur und sah, dass es nach Mitternacht war. Das trug nicht gerade dazu bei, seine ohnehin schon nicht besonders gute Laune zu heben.
    Langsam stieg er die Treppe hinauf und spürte – spürte nur zu gut -, wie schwerfällig sein Herz arbeitete. Dadamm, dadumm, dadamm, dadumm, dadamm, dadumm. Es machte ihn ganz nervös, dass er es nicht nur in der Brust, sondern auch in den Ohren und in den Handgelenken pochen hörte. Wenn das passierte,

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