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Es: Roman

Es: Roman

Titel: Es: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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hat mein Haus keine therapeutischen Eigenschaften.«
    »Na ja … wir sehen uns.«
    Und dann tat er etwas Seltsames, aber sehr Schönes. Er beugte sich vor und küsste mich auf die Wange. »Gott segne dich, Mikey. Ich lass mich bald wieder blicken.«
    »Vielleicht kommt doch noch alles in Ordnung, Bill«, sagte ich. »Gib die Hoffnung nicht auf. Vielleicht kommt alles in Ordnung.«
    Er nickte lächelnd, aber ich glaube, uns dröhnte beiden dasselbe Wort in den Ohren: katatonisch.

5. Juni 1985
     
    Ben und Beverly waren heute hier, um sich zu verabschieden. Sie fliegen nicht – Ben hat bei Hertz einen großen Cadillac gemietet, und sie wollen sich auf der Fahrt nach Nebraska Zeit lassen. Wenn sie einander ansehen, leuchten ihre Augen … und ich würde meine ganze Pension darauf verwetten, dass sie, falls sie es jetzt noch nicht tun, so doch spätestens in Nebraska miteinander schlafen werden.
    Beverly umarmte mich, sagte, ich solle mich möglichst rasch erholen, und dann weinte sie.
    Auch Ben umarmte mich und fragte zum dritten oder vierten Mal, ob ich schreiben würde. Ich bejahte, und ich werde auch wirklich schreiben … zumindest eine Zeit lang. Denn dieses Mal passiert es auch mir.
    Ich beginne zu vergessen.
    Bis jetzt sind es – wie Bill gestern sagte – nur Kleinigkeiten, Details. Aber auch ich habe das Gefühl, dass es weitergehen wird. Es mag sein, dass dieses Notizbuch in einem Monat oder einem Jahr das Einzige sein wird, wodurch ich mir in Erinnerung rufen kann, was hier in Derry geschehen ist. Ich vermute, dass die Wörter selbst verblassen könnten, dass dieses Notizbuch vielleicht irgendwann nur noch aus leeren Seiten bestehen könnte, wie damals, als ich es im Schreibwarenbedarf bei Freese’s kaufte. Das ist ein schrecklicher Gedanke, und am Tage erscheint er mir ausgesprochen paranoid … aber, nun ja, in der Nacht erscheint mir eine solche Entwicklung absolut logisch.
    Dieses Vergessen … die Aussicht versetzt mich in Panik, aber zugleich verspricht es eine schleichende Art von Linderung. Denn dieses Vergessen sagt mir mehr als alles andere, dass sie Es diesmal wirklich getötet haben; dass jetzt kein Wachtposten mehr nötig ist, der ausharrt und darauf wartet, dass der Zyklus von Neuem beginnt.
    Dumpfe Panik, schleichende Linderung. Ich denke, es ist die Linderung, die ich willkommen heißen werde, schleichend oder nicht.
    Bill hat angerufen, um mir zu sagen, dass er und Audra bei mir eingezogen sind. Ihr Zustand ist unverändert.
    »Ich werde dich nie vergessen.« Das war Beverlys letztes Wort gewesen, ehe sie und Ben gingen.
    Aber ich glaube, in ihren Augen eine andere Wahrheit gelesen zu haben.

6. Juni 1985
     
    Interessante Neuigkeiten heute in den Derry News, auf Seite 1. Die Überschrift lautete: STURM VERANLASST HENLEY, SEINE PLÄNE ZUM AUSBAU DES KULTURZENTRUMS AUFZUGEBEN. Der besagte Henley ist Tim Henley, Multimillionär, ein Unternehmer, der Ende der sechziger Jahre wie ein Wirbelwind über Derry kam – Henley und Zitner waren es, die das Konsortium organisierten, das für den Bau des großen Einkaufszentrums Derry Mall verantwortlich war (das – einem weiteren Zeitungsartikel auf Seite 1 zufolge – vermutlich nicht wieder aufgebaut wird). Tim Henley war fest entschlossen, Derry wachsen zu sehen. Natürlich ging es ihm dabei um seinen Profit, aber es war mehr als das; Henley wollte tatsächlich sehen, dass es geschah.
    Dass er nun plötzlich seine Pläne zum Ausbau des Kulturzentrums aufgegeben hat, lässt mich mehrere Dinge vermuten. Dass Henley auf Derry gerade nicht sonderlich gut zu sprechen sein mag, ist nur die offensichtliche Erklärung. Ich halte es aber auch für möglich, dass die Zerstörung des Einkaufszentrums ihn in große finanzielle Schwierigkeiten gebracht hat.
    Aber dem Zeitungsartikel zufolge ist Henley nicht der Einzige; auch andere Kapitalanleger und potenzielle Investoren in Derrys Zukunft könnten ihre Möglichkeiten noch einmal überdenken. Al Zitner braucht sich mit solchen Problemen natürlich nicht mehr zu beschäftigen – Gott hat ihn in den ewigen Ruhestand versetzt, als die Innenstadt zusammenbrach. Natürlich stehen all jene, die wie Henley dachten, noch vor einem ganz anderen Problem – wie baut man ein Stadtgebiet wieder auf, das zu mindestens fünfzig Prozent im Kanal ruht oder gerade noch ein Stück daraus hervorragt.
    Ich persönlich glaube, dass Derry nach einer langen, unnatürlich vitalen Blütezeit jetzt vielleicht im Sterben liegt …

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