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Es: Roman

Es: Roman

Titel: Es: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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während die Dunkelheit langsam in die Barrens hineinkriecht, die Pfade füllt, auf denen sie in diesem Sommer gegangen sind, die Lichtungen, auf denen sie gespielt haben, die Geheimplätze entlang der Ufer, wo sie gesessen und über wichtige Fragen ihrer Kindheit diskutiert oder Beverlys Zigaretten geraucht oder schweigend die im Wasser reflektierten Wolken betrachtet haben. Das Auge des Tages schließt sich.
    Schließlich lässt Ben seine Hände sinken. Er versucht etwas zu sagen, schüttelt den Kopf, wendet sich ab und geht fort. Richie folgt ihm, und auch Beverly und Mike, die nebeneinander hergehen. Niemand spricht. Sie erklimmen die Böschung zur Kansas Street und gehen einfach auseinander. Und als Bill siebenundzwanzig Jahre später daran zurückdenkt, stellt er fest, dass sie wirklich nie wieder alle beisammen waren. Zu viert waren sie oft, manchmal zu fünft, und einige wenige Male zu sechst. Aber zu siebt nie wieder.
    Bill bleibt als Letzter zurück. Eine lange Zeit steht er dort, die Hände auf das baufällige, weiße Holzgeländer gestützt, blickt in die Barrens hinab, während die ersten Sterne am Sommerhimmel aufziehen. Er steht unter dem blauen Himmel und über der Dunkelheit und beobachtet, wie die Barrens sich mit Finsternis füllen.
    Ich möchte nie wieder dort unten spielen, denkt er plötzlich und stellt erstaunt fest, dass dieser Gedanke nichts Schreckliches oder Bedrückendes an sich hat, sondern ungemein befreiend ist.
    Er bleibt noch einen weiteren Augenblick stehen, dann wendet er sich von den Barrens ab und macht sich auf den Heimweg, schlendert mit den Händen in den Hosentaschen den dunklen Weg entlang und wirft von Zeit zu Zeit einen Blick auf die Häuser von Derry, aus denen warmes Licht fällt.
    Einen Block weiter fällt ihm das Abendessen ein … und er beschleunigt seine Schritte … und einen Block oder zwei danach beginnt er zu pfeifen.

Derry:
     
    Das letzte Zwischenspiel
     
    »In dieser Jahreszeit ist das Meer nur eine Flotte von Schiffen,
und wir müssen bei der Überfahrt viele treffen. Es ist eine kurze
Reise«, sagte Mr. Micawber, und spielte mit seinem Augenglas.
»Die Entfernung ist eine reine Einbildung.«
    CHARLES DICKENS
DAVID COPPERFIELD
     

4. Juni 1985
     
    Bill war vor etwa zwanzig Minuten hier und hat mir dieses Buch mitgebracht – Carole hat es auf einem der Tische in der Bücherei gefunden und ihm gegeben, als er danach gefragt hat. Ich hatte gedacht, dass Chief Rademacher es vielleicht an sich genommen hätte, aber offensichtlich wollte er nichts damit zu tun haben.
    Bills Stottern verschwindet wieder, aber der arme Kerl ist in den letzten vier Tagen um vier Jahre gealtert. Er erzählte mir, er erwarte, dass Audra morgen aus dem Krankenhaus in Derry (wo ich auch selbst liege) entlassen werde – einzig, um sie im Anschluss mit einem privaten Krankentransport in die dreißig Kilometer entfernte psychiatrische Klinik in Bangor zu bringen. Physisch gehe es ihr gut – kleinere Quetschungen und Schnittwunden, die bereits verheilen. Aber psychisch …
    »Man hebt ihre Hand, und sie bleibt oben«, sagte Bill. Er saß am Fenster und spielte nervös mit einer Dose Limo. »Die Hand hängt einfach in der Luft, bis jemand sie wieder auf die Bettdecke legt. Ihre Reflexe sind vorhanden, aber sie reagieren sehr langsam. Das EEG zeigt eine völlig abnormale Alpha-Kurve. Sie ist ka-ka-katatonisch, Mike!«
    »Ich habe eine Idee«, sagte ich. »Vielleicht keine gute. Sag es ruhig, wenn sie dir nicht gefällt.«
    »Welche?«
    »Ich muss noch eine Woche hier im Krankenhaus bleiben«, sagte ich. »Warum holst du Audra nicht in mein Haus, statt sie nach Bangor zu bringen? Verbringst die Woche mit ihr. Sprichst zu ihr, auch wenn sie nicht antwortet. Ist sie … ich meine … kann sie auf die Toilette gehen?«
    »Nein«, sagte Bill tonlos.
    »Und könntest du … Ich meine … würdest du …«
    »Ihr sozusagen die Windeln wechseln?«
    Er lächelte, und es war ein derart gequältes Lächeln, dass ich meinen Blick für einen Moment von ihm abwenden musste. So hat damals auch mein Vater gelächelt, als er mir von Butch Bowers und den vergifteten Hühnern erzählte.
    »Ja. Ich glaube, das ist das Mindeste, was ich tun könnte.«
    »Ich werde dir nicht sagen, dass du dir nicht zu viele Vorwürfe machen sollst, weil du ja ganz offensichtlich nicht bereit dazu bist«, sagte ich, »aber vergiss bitte nicht – du selbst hast mir zugestimmt, dass vieles oder sogar alles von dem, was

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