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Es: Roman

Es: Roman

Titel: Es: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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landete genau auf der großen zackigen Scherbe einer Parfumflasche, und er ließ sich wie ein Wal auf eine Seite fallen, riss eine Hand von seinen Eiern los und griff nach dem blutenden Knie.
    Das Blut, dachte sie entsetzt. Er blutet überall.
    Er wird’s überleben, erwiderte jene neue Beverly – jene, die nach Mike Hanlons Anruf an die Oberfläche gekommen zu sein schien – ungerührt. Mach lieber, dass du schleunigst hier verschwindest, ehe er auf die Idee kommt, diesen Tanz weiterzuführen. Bevor es ihm einfällt, seine Winchester aus dem Keller zu holen.
    Sie machte einige Schritte rückwärts, spürte einen heftigen Schmerz in ihrem nackten Fuß, als sie auf eine Glasscherbe des zerbrochenen Spiegels trat und bückte sich nach dem Koffer. Sie ließ Tom keinen Moment aus den Augen. Ging rückwärts zur Tür und dann den Flur entlang. Der Koffer, den sie mit beiden Händen vor sich hielt, stieß bei jedem Rückwärtsschritt gegen ihre Schienbeine. Die Schnittwunde in ihrer Sohle hinterließ blutige Fußspuren. Als sie die Treppe erreicht hatte, drehte sie sich um und ging sie schnell hinab, ohne weiter nachzudenken. Sie zwang sich, nicht nachzudenken. Aber sie hatte ohnehin den starken Verdacht, dass sie im Moment keinen zusammenhängenden Gedanken fassen könnte, zumindest nicht in absehbarer Zeit.
    Sie spürte eine leichte Berührung an einem Bein und schrie auf. Sie schaute nach unten. Der Riemen lag noch immer um ihre Hand gewickelt und streifte an ihrem Bein entlang. Im trüben Licht auf der Treppe ähnelte er mehr denn je einer toten Schlange. Angewidert schleuderte sie ihn im hohen Bogen über das Treppengeländer und sah, wie er S-förmig unten auf dem Flurteppich landete.
    Im Erdgeschoss angelangt, packte sie den Saum ihres weißen Spitzennachthemdes und zog es sich über den Kopf. Es war blutbefleckt, und sie wollte es nicht eine Sekunde länger tragen. Sie warf es beiseite – es blieb wie ein Fallschirm auf dem Gummibaum am Eingang zum Wohnzimmer hängen – und bückte sich nackt zum Koffer hinunter. Ihre Brustwarzen waren kalt und hart wie Gewehrkugeln.
    »BEVERLY, DU SCHWINGST SOFORT DEINEN ARSCH HIER RAUF!«
    Keuchend stieß sie den Atem aus, öffnete den Koffer und holte einen Slip, eine Bluse und eine alte Levis-Jeans heraus. An der Tür stehend, die Treppe ständig im Auge, streifte sie die Kleidungsstücke über. Aber Toms Gestalt erschien nicht oben auf dem Treppenabsatz. Er brüllte nur zweimal ihren Namen, und jedes Mal zuckte sie bei diesem Laut zusammen, mit gehetztem und zugleich furchterregendem Blick.
    Sie schloss die Blusenknöpfe, so rasch sie konnte. Die beiden oberen Knöpfe fehlten – ironischerweise kam sie so gut wie nie dazu, ihre eigenen Näharbeiten zu erledigen -, und sie vermutete, dass sie ein wenig wie eine Freizeitnutte aussah, die nach einem letzten Freier vor Feierabend Ausschau hielt – aber es musste jetzt einfach auch so gehen.
    »ICH BRING DICH UM, DU DRECKSLUDER! DU VERDAMMTES DRECKSLUDER!«
    Sie warf den Kofferdeckel zu und schloss die Schnallen, ohne darauf zu achten, dass ein Blusenärmel wie eine Zunge aus dem Koffer heraushing. Dann warf sie einen letzten raschen Blick in die Runde – vermutlich würde sie dieses Haus nie wiedersehen.
    Es war ein befreiender Gedanke, und so öffnete sie die Tür und trat hinaus.
    Sie ging schnell, ohne genau zu wissen wohin, und erst, als sie drei Blocks von ihrem Haus entfernt war, bemerkte sie, dass sie barfuß lief. Der linke Fuß, mit dem sie in die Scherbe getreten war, pochte dumpf. Sie musste etwas an die Füße bekommen, und es war fast zwei Uhr morgens. Sie hatte kein Geld. Ihre Brieftasche und ihre Kreditkarten lagen zu Hause. Sie kramte in ihren Hosentaschen, fand aber nur ein paar Flusen. Sie hatte keinen Cent bei sich. Sie betrachtete diese vornehme Wohngegend – hübsche Häuser, gepflegter Rasen, kultivierte Blumenbeete, dunkle Fenster.
    Und plötzlich begann sie zu lachen.
    Beverly Rogan setzte sich auf eine niedrige Steinmauer, stellte den Koffer zwischen ihre nackten, schmutzigen Füße, und lachte. Die Sterne schienen – wie hell sie waren. Sie warf den Kopf zurück, um sie besser sehen zu können, und lachte und lachte, und jenes verrückte Hochgefühl durchströmte sie wieder wie eine riesige Flutwelle, die einen emporhebt und trägt, eine Urgewalt, die so mächtig ist, dass jeder bewusste Gedanke darin ertrank. Nur ihr Blut schien noch denken zu können, und seine kraftvolle Stimme flüsterte ihr

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