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Es: Roman

Es: Roman

Titel: Es: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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er blutete, und eine gewisse rothaarige Lady würde den Sonnenaufgang in einem Krankenhausbett erleben, eine gewisse rothaarige Lady, die …
    Eine Cremedose traf ihn mit überraschender Kraft oberhalb der rechten Augenbraue. Er hörte einen dumpfen Schlag, der aus seinem Kopf zu kommen schien. Einen Moment lang tanzten Sterne vor seinen Augen, und er taumelte mit vor Überraschung weit geöffnetem Mund ein, zwei Schritte zurück. Jetzt traf eine Niveacremetube seinen Bierbauch, und sie – konnte das sein? war das möglich? -, ja, sie schrie ihn an!
    »Ich werde zum Flughafen fahren, du Hurensohn! Hörst du mich? Ich muss etwas Wichtiges erledigen, und ich gehe! Du solltest dich mir lieber nicht in den Weg stellen, denn ICH WERDE GEHEN!«
    Blut floss ihm ins Auge, heiß und salzig. Mit seinen Fingerknöcheln wischte er es fort.
    Einen Augenblick stand er wie versteinert da und starrte sie an, als hätte er sie noch nie gesehen. In gewissem Sinne war das auch tatsächlich der Fall. Ihre Brüste hoben und senkten sich rasch. Ihr Gesicht, eine Mischung aus fahler Blässe und glühender Röte, war von erschreckender Wildheit. Die Lippen waren wie bei einem Knurren zurückgezogen. Sie hatte ihre ganze Munition verschossen – der Toilettentisch war jetzt leer. Er konnte noch immer Angst in ihren Augen sehen – nur war es keine Angst vor ihm.
    »Leg die Kleider zurück«, sagte er und bemühte sich, beim Sprechen nicht zu keuchen. Das würde einen schlechten Eindruck machen. »Dann bringst du den Koffer an seinen Platz zurück und legst dich in dieses Bett. Und vielleicht werde ich dich dann nicht allzu sehr verprügeln, Bev. Vielleicht wirst du schon nach zwei Tagen aus dem Haus gehen können anstatt nach zwei Wochen.«
    »Hör mir jetzt gut zu, Tom.« Sie sah ihn an und sprach sehr langsam und deutlich. »Wenn du mir noch einmal zu nahe kommst, bringe ich dich um. Hast du das verstanden, du ekelhafter, elender Fettwanst? Ich bringe dich um.«
    Und plötzlich – vielleicht aufgrund des grenzenlosen Ekels in ihrem Gesicht, vielleicht aufgrund der Verachtung oder auch nur aufgrund der rebellisch wirkenden Art, wie ihre Brüste sich hoben und senkten – erstickte ihn die Angst. Es war keine Knospe oder Blüte, sondern ein ganzer verdammter Garten, die Angst, die schreckliche Angst, dass er nicht da war.
    Tom Rogan kam auf seine Frau zu. Diesmal brüllte er nicht. Er näherte sich ihr so leise wie ein Torpedo, der durchs Wasser schneidet. Jetzt ging es nicht mehr darum, sie nur zu verprügeln oder zu unterjochen, jetzt wollte er ihr das antun, was sie ihm gerade so voreilig angedroht hatte.
    Er dachte, sie würde versuchen wegzurennen. Vermutlich ins Bad, vielleicht auch zur Treppe. Stattdessen blieb sie stehen. Ihre Hüfte prallte gegen die Wand, als sie unter Aufbietung aller Kräfte den Toilettentisch an einer Seite hochstemmte, wobei sie sich zwei Nägel tief einriss, weil ihre verschwitzten Finger etwas abglitten.
    Einen Augenblick lang wackelte der Tisch auf der Kante, dann schob sie sich wieder nach vorn. Der Toilettentisch tanzte auf einem Bein, der Spiegel reflektierte das Licht und zeichnete kurz wogende Aquariumsschatten an die Decke, dann kippte er nach vorn. Die vordere Kante prallte gegen Toms Oberschenkel und stieß ihn um. Ein metallisches Klirren ertönte, als die Flaschen im Inneren durcheinanderfielen. Er sah, wie der Spiegel links von ihm auf dem Boden aufschlug und riss einen Arm hoch, um die Augen zu schützen, wobei er den Gürtel verlor. Glasscherben mit silbernen Rücken husteten über den Boden. Er spürte, wie manche ihn schnitten, bis das Blut kam.
    Jetzt erst kamen ihr die Tränen. Sie schluchzte. Von Zeit zu Zeit hatte sie sich ausgemalt, dass sie Tom und seine Tyrannei verlassen würde wie sie die Tyrannei ihres Vaters verlassen hatte. Dass sie sich nachts mit Sack und Pack davonstehlen würde. Sie war nicht dumm, mit Sicherheit nicht dumm genug, um zu glauben, dass sie Tom nie geliebt hatte. Sogar jetzt noch, inmitten all der Scherben, liebte sie ihn irgendwie. Aber das schloss die Angst nicht aus … auch nicht den Hass … und die Verachtung ihrer selbst, dass sie sich aus Gründen für ihn entschieden hatte, die in einer längst vergangenen Zeit begraben lagen. Ihr Herz war nicht gebrochen, es schien vielmehr in ihrer Brust zu kochen, zu schmelzen. Und sie fürchtete, dass die von ihrem Herzen ausgehende Hitze ihren Verstand verbrennen könnte.
    Aber durch diesen inneren Aufruhr hindurch

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