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Es: Roman

Es: Roman

Titel: Es: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Buddinger Selbstmord begangen hat?«
    Natürlich wusste ich das – aber nur, weil die Leute immer reden und ich zuhören gelernt habe. Der Artikel in den News hatte es als Sturz bezeichnet, und es stimmte, dass Branson Buddinger gestürzt war. Was in den News nicht stand, war, dass er von einem Hocker in seinem Schlafzimmerschrank gefallen ist und dabei eine Schlinge um den Hals hatte.
    »Wissen Sie über den Zyklus Bescheid?«
    Ich starrte ihn verblüfft an.
    »O ja, ich kenne ihn«, flüsterte Carson. »Alle sechsundzwanzig oder siebenundzwanzig Jahre. Auch Buddinger kannte diesen Zyklus. Von den Alten wissen sehr viele darüber Bescheid, auch wenn sie es um nichts in der Welt zugeben würden. Lassen Sie es bleiben, Hanlon.«
    Er streckte eine krallenähnliche Hand aus, klammerte sie um mein Handgelenk, und ich konnte den Krebs spüren, der in seinem Körper wütete und alles verschlang, was noch gut und zu verschlingen war – nicht dass es zu der Zeit noch besonders viel gewesen sein kann; Albert Carsons Lebenslicht war so gut wie ausgepustet.
    »Michael – Sie sollten Ihre Nase besser nicht da reinstecken. Hier in Derry gibt es Dinge, die beißen. Lassen Sie es. Lassen Sie es. «
    »Ich kann nicht«, sagte ich.
    »Dann seien Sie auf der Hut«, krächzte er. Und plötzlich hatte dieser sterbende alte Mann die riesigen, schreckensweit aufgerissenen Augen eines Kindes. »Seien Sie auf der Hut.«
    Derry.
    Meine Heimatstadt. Nach der gleichnamigen Grafschaft in Irland benannt.
    Derry.
    Ich kam im Derry Home Hospital zur Welt; ging hier zur Grundschule und zur Junior Highschool in der Ninth Street. Danach zur Derry High. Anschließend war ich auf der University of Maine – »gleich um die Ecke«, wie man sagt -, und dann kehrte ich hierher zurück, in die Stadtbücherei. Ich bin ein Kleinstadtmensch und führe ein Kleinstadtleben, einer unter Millionen.
    Aber.
    Aber:
    Im Jahre 1879 fand eine Gruppe Holzfäller die Überreste einer anderen Gruppe, die den Winter eingeschneit in einem Lager am oberen Kenduskeag verbracht hatte – am Rand dessen, was die Kinder immer noch die Barrens nennen. Alles in allem waren es neun, alle in Stücke gehackt. Köpfe waren davongerollt … ganz zu schweigen von Armen … einem oder zwei Füßen … und der Penis eines Mannes war an eine Mauer der Blockhütte genagelt worden.
    Aber:
    Im Jahre 1851 vergiftete John Markson seine ganze Familie, setzte sich zwischen die Leichen, die er in einem Kreis drapiert hatte, und verschlang dann selbst einen ganzen weißen Knollenblätterpilz. Er muss furchtbare Todesqualen gelitten haben. Der Stadtpolizist, der ihn fand, schrieb in seinem ersten Bericht, er habe zuerst geglaubt, die Leiche grinse ihn an; er schrieb von »Marksons fürchterlichem weißem Lächeln«. Es stellte sich dann heraus, dass dieses »weiße Lächeln« darauf zurückzuführen war, dass Markson den ganzen Mund voll Knollenblätterpilz hatte; er hatte noch weitergegessen, als die Wirkung schon eingetreten war und er sich in Todeskrämpfen gewunden hatte.
    Aber:
    Am Osternachmittag des Jahres 1906 veranstalteten die Eigentümer der Kitchener-Eisenhütte – die damals dort war, wo heute die brandneue Derry Mal steht – eine Ostereiersuche für »alle braven Kinder von Derry«. Gefährliche Teile der Eisenhütte wurden abgeschlossen und über fünfhundert mit bunten Bändern geschmückte Schokoladeneier im übrigen Gebäude versteckt. Einige Arbeiter hatten sich freiwillig gemeldet, um aufzupassen, dass keins der Kinder unter den Absperrungen hindurchhuschte und auf Erkundungstour ging. Buddingers Darstellung zufolge waren mindestens so viel Kinder gekommen, wie Eier versteckt waren, und sie rannten fröhlich lachend und schreiend durch die sonntäglich stille Eisenhütte und fanden die bunten Eier in den Schreibtischschubladen der Vorarbeiter, zwischen den großen, rostigen Zähnen der Getrieberäder oder in tiefen Gussformen im dritten Stockwerk (die auf den alten Fotos aussehen wie Kuchenformen aus der Küche eines Riesen). Drei Generationen von Kitcheners waren anwesend, um dem fröhlichen Treiben zuzuschauen und am Ende der Suche um Punkt vier Uhr die Preise zu verteilen, ganz gleich, ob alle Eier gefunden worden waren oder nicht. Genau um Viertel nach drei an jenem Nachmittag explodierte die Eisenhütte. Zweiundsiebzig Leichen wurden vor Sonnenuntergang aus den Trümmern gezogen. Insgesamt kamen bei dem Unglück hundertundzwei Menschen ums Leben, achtundachtzig davon

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