Es war einmal ein Mord: Ein Hänsel und Gretel-Krimi (German Edition)
Unruhe. Die Abneigung, die der Feldobergendarm ihr gegenüber hegte, war bedenklich. Er würde nicht zögern, sollte er Gelegenheit bekommen, ihr Ärger zu bereiten, das wusste Gretel nur zu gut. Eine frische Leiche in ihrem Garten, noch dazu die einer Person, die sie nicht nur kannte, sondern überdies mit einem anderen Toten an einem anderen Ort in Verbindung brachte, musste für den wieselhaften kleinen Mann ein Geschenk des Himmels sein.
Gretel war nur dankbar, dass wenigstens Hänsel nicht da gewesen war, als Herr Peterson sich gemüßigt gesehen hatte, seinen letzten Atemzug in ihrem Garten zu tun.Dies hatte ihr Gelegenheit verschafft, die Lage zu überdenken, ihre Möglichkeiten zu erwägen und rasch und entschlossen zu handeln, ehe sie Alarm schlug. Nun hoffte sie, dass niemand auf die Idee kam, ihre Verbindung zu dem Verstorbenen hochzuspielen oder sich allzu sehr auf die merkwürdigen Verletzungen des Toten zu konzentrieren.
»Was ich nicht verstehe«, sagte Hänsel und schwankte ein wenig, wie es zu dieser Abendstunde seine Gewohnheit war, »warum hat Herr Peterson sich unseren Garten zum Sterben ausgesucht? Es ist ja nicht so, dass wir ihn besonders gut gekannt hätten. Wir waren keine Freunde oder so was – wir sind ihm nur auf dem Weg zu dem Hotel begegnet, in dem der arme alte Bechstein so ein scheußliches Ende genommen hat. Das ist auch so eine Sache, die ich nicht verstehe. Warum hat der örtliche Gendarm darauf beharrt, das grässliche Messer, das in dem Toten steckte, als wir ihn fanden, habe dir gehört, Gretel? Das hat er immer wieder behauptet. Als würde er großen Wert darauf legen.«
Er tat einen tabakgeschwängerten Atemzug.
Gretel knirschte mit den Zähnen und ließ Feldobergendarm Strudel, der sich umgedreht hatte und aufmerksam auf jedes Wort lauschte, nicht aus den Augen.
»Und was ich auch nicht verstehe«, schwadronierte Hänsel weiter, »ist, warum der arme Peterson Gretel so dringend hat sprechen wollen, dass er sich durch unsere recht große Hecke gemüht hat, um zu ihren Füßen zu sterben, obwohl doch sonst niemand in der Nähe war.« Er paffte wieder.
Gretel fühlte, wie ein Muskel in ihrem Kiefer zu zucken anfing.
Feldobergendarm Strudel kritzelte wild in sein Notizbuch.
»Und ich sage euch noch etwas, da ist noch mehr, das ich nicht verstehe, wo dieser Unglücksrabe doch offensichtlich an einer Vergiftung gestorben ist. Seht euch an, wie seine Hände immer noch die Kehle umklammern! Wie seine Augen hervorquellen! Und seine grün verfärbte Haut! Wie kommt es dann, dass er anscheinend zwei Finger verloren hat?«
Stille breitete sich aus, angefüllt mit den Lauten der besorgniserregenden Schlüsse, die gezogen, und der Verbindungen, die hergestellt wurden.
Gretel ließ den Weinbrand im Glas kreisen und kämpfte darum, den Anschein unergründlicher Contenance aufrechtzuerhalten.
Strudel beugte sich über die Leiche, um sie genauer in Augenschein zu nehmen.
Hänsel war noch nicht fertig damit, die schlimme Lage schlimmer zu machen.
»Für mich«, verkündete er, »sieht es so aus, als wären diese Wunden frisch. Als hätte er die Finger gerade erst verloren, ehe er hier reingestolpert ist. Da könnte man doch auf den Gedanken kommen, sie wären irgendwo hier im Garten, nicht wahr? Gretel, was meinst du, muss man da nicht auf diesen Gedanken kommen?«
Gretel wälzte in diesem Moment viele Gedanken, und alle beinhalteten schmerzhafte Grausamkeiten, begangen an ihrem Bruder.
»Was? Oh, keine Ahnung«, sagte sie eine Spur zu lässig. »Die könnte er auch schon vor Ewigkeiten verloren haben. Vielleicht sind einfach nur alte Wunden wieder aufgerissen, als er durch die Hecke gestürzt ist. Vielleicht … irgendwas«, schloss sie lahm.
Strudels Augen leuchteten inzwischen unheilverkündend,was Gretel zu dem Schluss brachte, dass Angriff die beste Verteidigung sei.
»Wie ich mich erinnere«, sagte sie gedehnt, »hat dem unglücklichen Toten auf Hunds Grundstück ebenfalls ein Finger gefehlt. Seid Ihr der Sache schon auf den Grund gegangen, Herr Feldobergendarm?«
»Es ist mir nicht gestattet …«
»Das dachte ich mir. Also keine Fortschritte in diesem Punkt. Schade. Das hätte immerhin ein wenig Licht in die sonderbare Art des Ablebens des armen Herrn Peterson bringen können.« Sie zeigte auf den zur Debatte stehenden Leichnam.
»Ah-ha«, machte Strudel. Ein Grinsen ordnete seine Züge neu an, ohne jedoch eine Verbesserung an der allgemein rattigen
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