Es war einmal ein Mord: Ein Hänsel und Gretel-Krimi (German Edition)
immer Müller verbrochen hat, es war ein schrecklicher Tod. Da fragt man sich doch, was jemanden dazu treiben kann, so etwas zu tun.«
»Unter Kriminellen gibt es genauso häufig Streit wie unter anderen Menschen auch«, belehrte sie Strudel.
»Glaubt Ihr, er hatte Ärger mit seinem Bruder?«
»Möglich, aber die beiden haben viele Jahre ohne irgendeinen erkennbaren Disput zusammengearbeitet. Wahrscheinlicher ist, dass sie eine Person ihres Schlages zu betrügen versucht haben und dass dieses Individuum sich gerächt hat.« Ein leiser Schluckauf unterbrach ihn. »Sei versichert, Fräulein, wir werden nicht ruhen, ehe wir dieser Sache auf den Grund gegangen sind.« Benebelt schaute er sie an und bemühte sich um seine gewohnt reservierte und mäkelige Haltung. »Da Müller dir bekannt war und in deiner Gegenwart gestorben ist, benötige ich natürlich eine offizielle Aussage von dir.«
»Aber Ihr seht doch in mir gewiss keine Verdächtige?«
»Doch. Sonst würde ich meine Pflichten vernachlässigen.«
»Aber Herr Feldobergendarm. Ihr und ich, wir stehen auf der gleichen Seite. Auf der Seite des Rechts. Ich hatte absolut keinen Grund, Peterson … Müller … irgendein Übel zu wünschen.«
»Da ist auch noch der offene Fall des Mordes an Bechstein, der immerhin in dem Hotel begangen wurde, in dem du mit deinem Bruder abgestiegen bist, noch dazu mit deinem Jagdmesser.«
»Eine unglückliche Verkettung von Zufällen, das gebe ich zu, mehr aber nicht.«
Hänsel kehrte mit dem Weinbrand zurück, doch Strudel schien sich inzwischen wieder zu erinnern, wo er war und was er zu tun hatte.
»Ich muss dir leider sagen, Fräulein, dass ein Gendarm nicht an Zufälle glaubt.« Er winkte seinen Männern, die Leiche wegzubringen, ehe er sich wieder Gretel zuwandte. »Du wirst dich morgen in der Gendarmeriestation einfinden und uns einen Bericht der Ereignisse liefern. Unnötig zu sagen …«
»Aber Euch erscheint es dennoch unumgänglich, es auszusprechen.«
»… dass du Gesternstadt nicht verlassen darfst, bis wir unsere Ermittlungen abgeschlossen haben.«
»Ich habe Verpflichtungen, die meine Anwesenheit anderenorts erfordern könnten.«
»Dann werden diese Verpflichtungen warten müssen. Habe ich mich klar ausgedrückt?«
»Absolut.«
Gretel und Hänsel schauten zu, wie die Leiche abtransportiert wurde und die Gendarmen ihrer Wege gingen, während Strudel ununterbrochen Befehle brüllte, um sich selbst und alle anderen an seine Bedeutsamkeit zu erinnern.
In dieser Nacht fand Gretel keinen Schlaf. Die Luft war feucht, die Temperatur für die Jahreszeit zu hoch, und ihr Kopf brummte von den jüngsten Ereignissen. Sie hatte das unerfreuliche Gefühl, eine Schlinge würde sich um sie zuziehen. Man hatte sie beschuldigt, abgeurteilt und sogar exekutiert für eine Entführung, die nie stattgefunden hatte. Ihre Flucht mochte nur von kurzer Dauer sein, sollte sie keinen Beweis für die Liaison der Prinzessin Charlotte mit Roland auftreiben,umso mehr, sollte diese Prinzessin je herausfinden, dass man ihr, Gretel, den Kopf nicht abgehackt hatte.
Und dann war da noch Bechstein, der in einer Leichenhalle in Bad am See verrottete; ein ungelöster Fall, dessen Hauptverdächtige sie war, dicht gefolgt von Hänsel. Und jetzt auch noch Peterson-Müller, der sie – wenig hilfreich – in das Bild einer fatalen Vergiftung gerückt hatte. Nichts von alldem hatte sie selbst herbeigeführt, und dennoch stellte es eine ernste Gefahr für ihre Freiheit dar, für ihren Seelenfrieden und für ihre Befähigung, ihre Arbeit zu tun. Gewiss, sie hatte im Fall von Frau Hapsburgs verdammten Katzen ein paar Fortschritte erzielt, aber wie sollte sie ihre Ermittlungen wieder aufnehmen und die Tiere zurückholen, wenn Strudel ihr nicht gestattete, Gesternstadt zu verlassen? Das zusätzliche Geld, das sie aus ihrer Auftraggeberin herausgekitzelt hatte, würde nicht lange reichen. Sie musste noch einmal zu dem Troll, ihm den Namen des Katzendiebs entlocken, eine Adresse zu selbigem finden und ihm einen Besuch abstatten.
Ruhelos wälzte sich Gretel auf ihrer mit Federn gefüllten Matratze, verlagerte zum x-ten Mal in einer Stunde ihr Gewicht und fand dennoch keine Ruhe. Plastische Bilder von abgetrennten Körperteilen blitzten vor ihren geschlossenen Augen auf. Es war nicht leicht gewesen, Peterson-Müller um seine Finger zu erleichtern. Im Nachhinein – um die Erfahrung bereichert, auf Knochen und Gewebe eingehackt zu haben,
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