Es war einmal ein Mord: Ein Hänsel und Gretel-Krimi (German Edition)
Erscheinung zu bewirken, mit der das Schicksal ihn gesegnet hatte. »Deine Worte machen deutlich, dass du nur eine Amateurdetektivin bist, kein Gendarm, und dass du weder im Dienst unseres verehrten Monarchen stehst noch je in der Kunst der Detektion geschult worden bist.«
»Soll heißen?« »Du weißt nicht alles, Fräulein. Und du weißt doch, wie man sagt: Der Halbwissende ist schlimmer als der Unwissende.«
»Habt Ihr schon einmal daran gedacht, diesen Satz zu Eurem Motto zu machen?«
»Du ziehst vorschnelle Schlüsse. Das«, mit großer Geste deutete er auf den Leichnam, »ist nicht Herr Peterson.«
»’türlich ist er das«, mischte Hänsel sich ein. »Bin dem Burschen doch selbst begegnet. Das ist eindeutig Peterson. Darauf würde ich mein Haus wetten.«
»Er mag sich Peterson genannt haben, als du ihm begegnet bist«, erwiderte Strudel, »aber er ist es nicht.«
»Nicht?«, hakte Hänsel nach.
»Nicht?«, wiederholte Gretel.
»Nicht!«, verkündete Strudel, und vor Befriedigung, zur Abwechslung einmal etwas zu wissen, was Gretel nicht gewusst hatte, überzogen sich seine Wangen mit einem rosaroten Schimmer.
Hänsel zertrat seinen Zigarrenstummel. »Wer ist es dann?«
»Das ist Sache der Feldgendarmerie, kein Gemeingut.«
»Wir befinden uns nicht auf Gemeingut«, wandte Gretel ein. »Wir sind in meinem Garten, und dieser Mann, wie immer er sich genannt hat, ruiniert mir den Abend. Ich verlange zu erfahren, wer er ist.«
Sie erhob sich.
Strudel zögerte.
»Kommt schon, Mann«, bohrte Gretel. »Spuckt es aus.«
Die Verlockung, mit seinem Wissen anzugeben, war zu groß, als dass der Feldobergendarm ihr hätte widerstehen können.
»Sein Name ist Müller. Dieter Müller. Er ist uns bekannt.«
»In welchem Zusammenhang?«
»In dem Zusammenhang, dass er ein Verbrecher ist.«
»Offensichtlich. Aber welche Art Verbrecher?«
»Eine sehr erfolgreiche Art. Na ja, bis jetzt. Wir sind seit ein paar Jahren hinter Müller her, aber er hat es stets verstanden, seine Spuren zu verwischen, hatte stets ein Alibi und ist uns immer wieder durch die Maschen geschlüpft.«
»Ja, ja, gut, aber dafür braucht es kein kriminelles Genie«, bemerkte Gretel.
Strudel maß sie mit finsteren Blicken und verschränkte die Arme auf eine Weise vor der Brust, die besagte: Mehr kriegst du aus mir nicht heraus.
»Was ich meinte …«, versuchte Gretel es erneut. »Wenn Müller gerade nicht damit beschäftigt war, Spuren zu verwischen, Alibis zu besorgen, Euch zu entschlüpfen und Euren gewitzten Gendarmen zu entgehen, welche Art von Verbrechen hat er dann begangen?«
»Er war ein Schwindler. Ein sehr guter. Hat in dieser Gegend eine Menge Gaunereien abgezogen.«
»Und Ihr habt ihm nichts nachweisen können?«
»Wie ich schon sagte, er war gut auf seinem Gebiet. War uns immer einen Schritt voraus. Wusste immer, wann es Zeit war, aufzuhören und weiterzuziehen, um sich einem neuen Plan zu widmen.«
Hänsel schnaubte kurz. »Der zieht jetzt nicht mehr viel weiter.«
Gretel kam ein Gedanke.
»Was ist mit Inge?«
»Mit wem?«
»Inge Peterson. Die Frau von Herrn Peterson. Die beiden waren ganz vernarrt ineinander. Sie waren auf ihrer zweiten Hochzeitsreise, als wir ihnen begegnet sind.«
»Richtig«, stimmte Hänsel zu und nickte. »Die waren ganz liebestrunken. Das war wirklich ekelerregend.«
»Anzunehmen«, schnaubte Strudel. »Seine Frau ist seit mindestens fünf Jahren tot.«
»Was?«, stieß Hänsel hervor. »Sie meinen, diese Frau, Inge, war so eine Art Ghul? Eine lebende Tote? Womöglich ein Vampir? Ein Zombie!«
»Hänsel!«, brachte Gretel ihn zum Schweigen. »Beruhig dich. Das war offensichtlich nicht Frau Müller.«
»Das weiß ich. Es war Frau Peterson.«
»Es gibt keine Frau Peterson«, sagte Strudel.
Hänsel verdrehte die Augen. »Na ja, nicht mehr, wenn sie tot ist.«
»Es hat nie eine gegeben«, verdeutlichte Strudel.
»Natürlich hat es«, widersprach Hänsel. »Bin ihr selbst begegnet. Hab ich doch schon gesagt. Euer Gedächtnis ist wohl nicht so gut, was? Solltet Ihr Euch diese Dinge nicht lieber aufschreiben?«
Gretel spürte einen Kopfschmerz nahen, war aber geneigt, selbigen in Kauf zu nehmen, wenn sie dafür zusehen durfte, wie Strudels Hirn aufgrund von Überforderung in den Dienst-nach-Vorschrift-Modus wechselte.
»Ehefrau oder nicht«, sagte Gretel, »Inge und Peterson haben offensichtlich nichts Gutes im Schilde geführt. Müller, meine ich. Wenn sie sich als liebendes Paar
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