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Es wird schon nicht das Ende der Welt sein

Es wird schon nicht das Ende der Welt sein

Titel: Es wird schon nicht das Ende der Welt sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ali Lewis
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Beerdigung. Er schien kaum Luft zu kriegen, als er sagte: »Du dummer Bengel – willst du so enden wie dein Bruder?« Dads Beine schienen nachzugeben, er kauerte neben mir im Staub. Sein ganzer Körper zitterte und er rang keuchend nach Luft. Er packte mich und drückte mich an sich. Ich wusste nicht, was ich machen sollte, also hielt ich total still.
    Nach ein paar Minuten ließ Dad los. Er wischte sich den Mund mit dem Handrücken und kniff seine Nase, oben, zwischen den Augen. Dann seufzte er ganz tief und flüsterte: »Mach das nie wieder.« Ich hatte immer noch Angst vor ihm, deshalb sagte ich gar nichts. »Hast du mich verstanden?«, fragte er, lauter als zuvor. Er hob den Kopf und schaute mich an. Seine Augen waren rot wie die von Emily, wenn sie geweint hatte. Ich spürte, wie meine Brust sich hob, und ich nickte ein Mal, und dann rollte mir aus jedem Auge eine Träne die Backe runter.
    Da packte Dad mich und nahm mich so richtig in die Arme. Er sagte, alles sei okay, und dann legte er mir seine Hand auf die Schulter. Er sagte: »Du hast das richtig gut gemacht da draußen. Ich weiß nicht, wo du nun bessere Arbeit geleistet hast, beim Kamelabrichten oder bei der Pommie.« Darüber mussten wir beide lächeln. Er hob seinen Hut vom Boden auf, stand auf und klopfte sich den Staub von den Hosen. Dann gab er mir die Hand und zog mich hoch. »Komm jetzt«, sagte er, »lass uns nach Haus gehen.«

30
    DAS FUNKGERÄT IN DER KÜCHE knisterte, und Mums Stimme war zu hören, das war ein Gefühl, als ob der Regen gekommen wäre. Sie sagte, ehe wirs uns versahen, wären sie wieder auf Timber Creek.
    Zu wissen, dass Alex nicht mehr weit von der Station war, machte uns beim Warten auf ihre Ankunft ganz zappelig und nervös. Mit Dad war es am schlimmsten. Er konnte nicht stillsitzen. Immer wieder stand er auf, setzte sich wieder, schaute zur Uhr, machte den Kühlschrank auf und zu, ohne was rauszuholen. Als wir schließlich die Autos auf der Station einfahren hörten, verstummten wir alle für einen Augenblick, damit wir noch mal richtig hinhören und uns vergewissern konnten, dass wir es uns nicht eingebildet hatten. Sobald wir ganz sicher waren, rannten Emily und ich aus der Küche auf die Hintertür zu – wie bei einem Wettrennen. Was Mum und Sissy wohl gedacht haben mögen, als sie sahen, wie wir auf sie zurannten? Es muss ausgesehen haben, als ob das Haus gleich in die Luft gehen würde.
    Die Autotüren klappten auf wie die Ohren von einem Brahman, der Fliegen verscheucht. Sissy sah müde aus und glücklich und Mum erschöpft, aber auch schick. Sie hatte eine neue Bluse an, eine, die ich noch nie gesehen hatte, und sie hatte sich die Haare schneiden lassen. Dad kam als Letzter von allen zum Auto. Er nahm Mum in den Arm und küsste ihre Wange. Sie gingen auf Sissy zu. Dad und sie guckten sich eine Weile an, bevor er sie fragte, ob es ihr gut gehe. Sissy nickte. Sie wirkte so unbeholfen, wie ich mich fühlte.
    Tante Ve hatte wie üblich Mühe, aus dem Auto zu kommen. Mum umarmte Emily und sie kam zu mir und legte mir ihre Hand auf den Nacken. Warm war sie, aber angenehm, nicht verschwitzt. Sie sagte: »Wie geht’s dir, Dannyboy?« Ich sagte, bei mir sei alles klar. In der Ferne konnte ich Buzz schreien hören, und ich bedauerte, dass er bei den Kälbern festsaß und nicht dabei sein konnte.
    Obwohl es schön war, Mum zu sehen, und obwohl es ein gutes Gefühl war, dass sie wieder zu Hause war – und Sissy auch, glaub ich –, warteten wir eigentlich darauf, Alex zu sehen. Dad hatte die hintere Autotür aufgemacht, und ich hörte, wie er sagte: »Und hier ist er also?« Mum und Sissy lächelten beide und dann legten sie die Finger an die Lippen. »Du weckst ihn auf«, sagte Mum. Dad fragte, wie man dieses kleine Sitzding losmachte, in dem Alex lag. Es schien sich total im Gurt verheddert zu haben. Sissy bückte sich und löste die Gurte ganz einfach, sodass Dad den Autositz rausheben konnte. Er hielt ihn ganz verkehrt, aber er hatte wohl solche Angst, ihn fallen zu lassen, dass er sich nicht traute, ihn anders zu greifen. Ich konnte ein bisschen Weiß aus dem Sitz blitzen sehen, mehr aber nicht.
    Mum sagte: »Komm doch mal her, Derek.« Und sie nahm ihm den Sitz ab. Sie hielt ihn niedriger, kurz über dem staubigen Boden, damit wir uns alle drüberbeugen und gucken konnten.
    Ich war mir nicht sicher, wie Alex’ Haut aussehen würde, ob er nun eher schwarz oder weiß wäre, aber er war keins von beidem. Er sah

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