Es wird Tote geben
Wahrheit ans Licht. Natürlich könnte er die Geschichte so drehen, dass der mittlerweile verstorbene Doktor Kettner den Jungen erschlagen hatte – die Mordwaffe in seiner Praxis war das beste Indiz dafür. Und nach der Tat? Da hatte der auch damals nicht mehr so fitte Arzt die Leiche ins Haus des Postenkommandanten geschleppt und ohne dessen Wissen im Keller einbetoniert? Ganz gewiss. Sieh’s ein, Herr Major: Die Erde dort unten aufzugraben heißt, deinen Vorgänger mit Dreck zu bewerfen. Ja, aber das ist sein Problem und nicht meins! Wer hat denn diesen Hokuspokus veranstaltet, das ganze Bundesland in Aufregung versetzt, der Republik Unsummen an Ermittlungskosten verursacht? Verdammt, worum ging es denn hier? Um Gerechtigkeit? Um Korpsgeist? Darum, dass niemandem geholfen war, wenn Schäfer plötzlich die Umstände von Alexander Maternas Verschwinden aufdeckte. Niemandem? Was war denn mit dem Vater, der Schwester – hatten die nicht ein Recht darauf zu erfahren, was mit Alexander passiert war? Ein Recht, ihn würdevoll zu verabschieden? Andererseits: Hatte er im Augenblick nicht andere Prioritäten? Am Abend würde der Forensiker auftauchen, um Linds Keller zu untersuchen. Da war es längst an der Zeit, sich um Vergleichsproben zu kümmern. Zumindest von Graber. Eben. Kümmerte doch niemanden, wenn über die andere Sache ein paar Millimeter mehr Gras wuchsen.
Kurz nach acht stürmte Plank in Schäfers Büro in der Annahme, sein Vorgesetzter wäre Opfer eines Angriffs geworden.
„Was …“, verpuffte seine Bestürzung angesichts Schäfers Veitstanz, bei dem dieser die Papierbögen von der Wand riss und fluchte, als wollte er sich schon vorab einen Logenplatz in der Hölle sichern.
„Himmelherrgottarschfutsau … die haben die Charts gesehen! … ich Vollwichssauschädelarschkoffer … ich …“
„Jetzt beruhigen Sie sich doch“, meinte Plank besorgt, füllte ein Glas mit Leitungswasser und hielt es Schäfer hin.
„Ich will einen Schnaps! Kein Wasser, Schnaps! … Diese … das ist doch eine … o Herr, warum prüfst du mich so?“ Schäfer hob den Gummiball auf und schleuderte ihn gegen die Scheibe, die bebte und: tatsächlich einen Riss in der rechten oberen Ecke bekam.
„Ach du Scheiße“, rutschte es Plank heraus.
„Ha! Hab ich dich!“ Schäfer schlug sich mit der Faust in die linke Hand, hob den Ball auf, küsste ihn und ließ sich dann erschöpft in seinen Sessel fallen.
„Kann ich Ihnen … irgendwie helfen?“ Plank schwankte unsicher zwischen Anteilnahme und Angst.
„Ich gehe einmal davon aus, dass niemand von euch das da gezeichnet hat, oder?“ Schäfer war aufgestanden, hatte eins der Charts aufgehoben und klopfte mit dem Zeigefinger auf den Smiley am unteren Rand des Papierbogens. „Hat niemand von euch gesehen, wie jemand so mir nichts, dir nichts in mein Büro spaziert?“
„Sie wissen ja selbst, wie es gestern zugegangen ist, die Filmleute und die ganzen anderen … denen haben Sie selbst die Erlaubnis erteilt …“
„Weiß ich, weiß ich … und ich lasse auch noch die Charts da hängen … so was ist mir überhaupt noch nie passiert … dass der, den ich suche, seelenruhig in mein Büro spaziert, sich anschaut, was ich mir über ihn so zusammengereimt habe und dann, ohne gesehen zu werden, wieder abhaut …“
„Tja, blöd.“
„Wie wahr … Moment.“ Schäfer griff zum Telefon. „Sanders! War gestern jemand von euch in meinem Büro?! … Sicher nicht? … Das kann ich Ihnen nicht sagen, aber wenn sich da einer von euch einen Scherz erlaubt hat, dann zerlege ich euer gesamtes Equipment und euch hinterher … Ja, fragen Sie, aber tun Sie so, als ob ich nur sauer wäre, weil jemand Kaffee verschüttet hat oder was in der Richtung … Das darf ich Ihnen nicht sagen, aber noch einmal: Wenn irgendeiner in welcher Weise auch immer da mit drinsteckt … Bla bla bla, seit ihr mit eurer Fifi hier seid, vergeht kaum ein Tag ohne irgendwelche Scherereien … Ja, ich melde mich.“
„Sollten wir jetzt nicht doch das LKA …“, meinte Plank vorsichtig.
„Und was sage ich denen!? Dass wir ein Haufen Deppen sind, die unbekannte Zivilisten in ihre Amtsräume lassen?“
„Ja, von mir aus“, meinte Schäfer, als sein Kollege nichts erwiderte, „ich allein habe die Leute hier hereingelassen, ich habe vertrauliches Ermittlungsmaterial zur freien Ansicht an die Wand gehängt und mein Büro nicht zugesperrt … wenn Sie das dem LKA melden wollen, nur zu … ich habe sowieso
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