Es wird Tote geben
müssen.“
„Vielleicht.“ Schäfer nahm einen Schluck Tee. Nur nicht die auch noch schwach anreden! Egal, was sie dir vorhält, bleib gelassen und devot. „Worauf genau spielen Sie denn an?“
„Darf ich rauchen?“ Sie hatte die Zigarettenschachtel schon aus der Handtasche genommen.
„Sicher.“ Schäfer stellte ihr einen Aschenbecher hin.
„Dieser Zettel auf der Windschutzscheibe … wenn mein Bruder ein so kriminelles Mastermind wäre, wie Sie behaupten, hätte er so etwas wohl kaum gemacht, oder?“
„Ich bin davon ausgegangen, dass er gerade darauf abzielt, mich wissen zu lassen, wer er ist.“
„Das müssen Sie mir jetzt aber schon genauer erklären.“
„Die Person, die in diese Todesfälle zumindest als Beobachter involviert war, hat aktiv auf sich aufmerksam gemacht“, sagte Schäfer und wunderte sich, wieso er so gestelzt redete. „Das Täterprofil, das ich auf Grundlage dieser Tatsachen erstellt habe …“
„Von einem Täterprofil ist in Ihrem Bericht aber nichts zu finden.“
„Ja … ich war noch nie ein großer Berichterstatter, das hat immer … wer anderer gemacht.“
„Also ist dieses Profil nur in Ihrem Kopf gespeichert.“ Wenigstens lächelte sie jetzt, sonst hätte er sie trotz aller Selbstbeherrschung hinausgeworfen. Natürlich in seinem Kopf! Hatte diese Ich-will-in-spätestens-zehn-Jahren-Staatsanwältin-sein-Tussi überhaupt eine Ahnung, was dort alles Platz hatte? Dafür reichten die Kuhhäute von ganz Tirol nicht aus!
„Wie auch immer … es gibt stichhaltige Beweise, dass Ihr Bruder zumindest in die Weitergabe illegaler Medikamente involviert war.“
„Sie meinen die Tablettenpackungen im Keller von Doktor Kettner …“
„Zum Beispiel, ja.“
„Dass beweist aber noch lange nicht, dass er diese Medikamente entwendet hat.“
„Aber es legt es nahe … das muss für ein Verhör manchmal reichen, sonst könnten wir gleich zusammenpacken.“
„Und wenn die Sachen jemand dort platziert hat?“
„Na ja … darf ich?“ Schäfer deutete auf die Zigarettenschachtel. Staud, du Scheißer, warum ist dir das nicht eingefallen? Hatte er ihn darauf aufmerksam machen wollen? Als Schäfer ihn am Telefon unterbrochen hatte, weil er so scharf darauf gewesen war, Simon Graber zu verhaften?
„Gut … offensichtlich habe ich einen Fehler gemacht, tut mir leid, war nicht das erste Mal, wird wahrscheinlich auch nicht das letzte Mal sein … also: Was genau wollen Sie jetzt von mir?“ Langsam verlor Schäfer die Geduld. Ein Erschießungskommando war nicht dazu da, dem Hinzurichtenden im Plauderton seine Verfehlungen vorzuhalten.
„Dass Sie mir helfen.“
„Ich? Ganz schön viel Vertrauen in jemanden, der Ihren Bruder ins Gefängnis stecken wollte.“
„Ja, aber es bleibt mir auch nicht viel übrig …“
„Versteh ich nicht.“
„Ich weiß, wer Sie waren … also wer Sie sind und …“
„Wer ich in Wien war und jetzt nicht mehr bin“, kürzte Schäfer das ständig wiederkehrende Gerede um seine Lebensgeschichte ab.
„Ja … wir haben während meines Studiums einige Ihrer Fälle behandelt.“
„Freut mich … und weiter?“
„Ich habe einen Interessenkonflikt.“ Sie zündete sich eine weitere Zigarette an. „Eigentlich bin ich hier, um Simon zu helfen, aber …“
„Entschuldigung“, sagte Schäfer, dessen Handy das Eintreffen einer SMS verkündet hatte. Sanders: Möchten Sie Ihre Statistenrolle noch? Ich spiele immer die Hauptrolle , tippte Schäfer ein und widmete sich wieder seinem Besuch.
„Gut … also: Worum geht’s?“
„Ich habe Simon wirklich gern, aber … ich bin mir nicht sicher, ob er wirklich unschuldig ist.“
„Da sind wir schon zwei.“
„Ja … deswegen bin ich froh, dass gerade Sie hier sind …“
„Danke für die Blumen.“ War dieser Knopf an ihrer Bluse schon bei ihrer Ankunft offen gewesen? „Also, ich höre.“
Simon war Laura Grabers Adoptivbruder. Ihre Eltern hatten ihn im Alter von drei Jahren adoptiert, nachdem eine andere Familie mit ihm überfordert gewesen war. (Nicht nur mit ihm, sondern auch mit vier weiteren Pflegekindern, aber das war eine andere Geschichte und vor allem eine fürs Jugendamt.) Simon war ein Klappenbaby gewesen, wie Laura Graber bitter lächelnd schilderte, als ob dieser Umstand schon alles erklären würde, was dann folgte. „Ein Klappenbaby?“, fragte Schäfer nach. Ja, eins der ersten Neugeborenen, die eine Mutter in die gerade installierte Babyklappe an einem Krankenhaus in
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