Es wird Tote geben
Druck gesetzt hat et cetera.“
„So eine verlogene Schlampe!“ Das Mädchen nestelte in ihrem Rucksack herum und holte eine Zigarette heraus.
„Nicht in meinem Garten!“
„Ich bin siebzehn … ich darf rauchen.“
„Na, von mir aus … gib mir eine“, meinte Schäfer resignierend und ließ sich Feuer geben.
„Und was mache ich jetzt mit Nadja?“, wollte Carola wissen, nachdem sie schweigend zu Ende geraucht hatten.
„Pf … glaub ihr nichts mehr … und wenn sie dich noch einmal wegen so einer Geschichte zu mir schicken will, dann zieh ich sie an den Ohren über den Hauptplatz.“
Als er im Bad stand und mit der Zahnbürste im Mund gedankenverloren in den Spiegel sah, hörte er aus der Küche das Piepen einer SMS . Wahrscheinlich Nadja, die sich bedanken und ihm aus sicherer Distanz mitteilen wollte, dass er sehr okay wäre. Nicht nur als Polizist, sondern auch privat, so einen wie ihn müsste man halt als Vater haben, jemanden, der einen versteht und einem gleichzeitig das Gefühl gibt, bei ihm in Sicherheit zu sein, fantasierte Schäfer hinzu. Er spülte sich den Mund aus und ging in die Küche. Die SMS war von Sanders. Was ist, wenn die zu zweit sind? Schäfer machte sich nicht die Mühe, zurückzuschreiben. Er konnte längst schon im Bett sein. Oder Damenbesuch haben. (Ha! Was für ein Wort!) Oder einfach keine Lust auf einen SMS-Austausch, der unweigerlich zu einem Telefonat führen würde, zu neuen Spekulationen, über denen es ihm nicht gelingen würde einzuschlafen et cetera.
Wenig später, im Bett: Ja, die Idee mit den zwei Tätern war ihm auch schon gekommen. In der Nacht, als er Sanders hatte verhaften lassen.
Die einfachste Möglichkeit, sich als Verdächtiger ein Alibi zu verschaffen, war immer noch, den Komplizen eine weitere Tat in eigener Abwesenheit begehen zu lassen. So konnte Sanders im Hotelgarten gesessen sein – den Major am Telefon, andere Gäste als Zeugen –, während der Spießgeselle seinem schändlichen Werk nachging. Doch welch dämonisches Gespann wurde hier vom Fürst der Finsternis durchs Dorf gehetzt? Und wie konnte er diesem höllischen Treiben Einhalt gebieten? Schäfers letztes Memorandum vor dem Einschlafen: Muss aufhören, im Bett Heldensagen zu lesen. Gedanken nehmen seltsame Sprache an, die vom Fall ablenkt.
35.
Ein einsamer Sonntagmorgen. So einer konnte Fluch und Segen sein. Das Frühstück im Garten, die Katze und der Rabe, die Brandenburgischen Konzerte (Berliner Philharmoniker unter Karajan); nicht zu vergessen saftiges Roggenbrot, Walderdbeeren, Krenschinken und Eier vom regionalen Biobauern. Ein kleines Fest bewusster Sinnlichkeit. Oder auch: die zelebrierte Verspießerung gehobenen Beamtentums. Ach, wie auch immer Schäfer diese Stunde einordnen wollte, immer blieb der bittere Beigeschmack, dass er dieses Vergnügen nicht teilen konnte. In ferner Zukunft vielleicht, wenn er sich an seine Memoiren machte. Doch dass er diese dereinst verfassen würde, war noch unwahrscheinlicher, als dass sie irgendwer lesen wollte. „Tanzt, meine Kinder, tanzt!“, rief er den eher lahm wirkenden Tieren zu, die ihn verständnislos anschauten. Er nahm sein Telefon und rief seinen Bruder an.
„Ich bin’s … vielleicht komme ich heute nach Salzburg.“
„Wann denn?“
„Weiß ich noch nicht genau.“
„Ja, ungefähr …“
„Mittag, früher Nachmittag …“
„Gut, dann bleibe ich daheim.“
„Wieso? Hast du schon was vor?“
„Schwimmen wollten wir gehen … willst du mitkommen?“
„Hm, nein, da ist heute sicher die Hölle los.“
„Ja, Herr Menschenfeind, deswegen sage ich ja, dass ich daheim bleibe …“
„Eh, aber ich weiß noch nicht genau, wann und ob ich dann …“
„Kannst du dich ein bisschen klarer ausdrücken? Kommst du jetzt oder nicht?“
„Ja, wahrscheinlich schon.“
„Und kommst du uns besuchen?“
„Ja, hatte ich schon vor …“
„Aah! Johannes, ich zwinge dich ja nicht … hast du irgendetwas anderes hier zu erledigen?“
„Möglich, ja …“
„Und was ist mit Abendessen?“
„Wann denn?“
„Okay, lieber Bruder, tun wir einfach so, als hättest du nicht angerufen. Wenn du in Salzburg bist und vorbeischauen willst, rufst du an … ich leg dir den Schlüssel auf, dann kannst du im Garten auf uns warten … aber betrink dich nicht, bitte.“
„Gut, danke, ich melde mich.“
„Ja, ich verlasse mich drauf“, ein Seufzen als Verabschiedung.
Schäfer murrte ein wenig über den Verbindlichkeitszwang
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