Eselsmilch
der Katastrophe von vor zwei Jahren sind sie sehr eng
miteinander verbunden.
Soweit
ihre höchst unterschiedlichen Charaktere vertraute Nähe zulassen – besser
gesagt: zuließen!
Fanni
schluckte. Olga drückte ihre Hand.
»Ich
möchte«, sagte Elke, »dass sich jeder von euch ganz individuell darüber klar
wird, wie er zu einem Abbruch beziehungsweise zu einer Fortsetzung der Reise
steht.«
Fanni
sah zur Reiseleiterin hinüber, deren Stimme sie – wie meistens –
nervte.
Elke
war ungefähr in Lenis Alter und ungewöhnlich hübsch. Das ist aber auch schon
alles, was sie mit meiner Tochter gemeinsam hat, dachte Fanni grimmig. Im
Gegensatz zu meiner lebhaften, munteren Leni wirkt Elke hölzern und steif –
wie computergesteuert.
Sie
ist eben gut geschult für ihre Aufgabe!
Mir
ist sie zu frostig, zu spröde, ließ Fanni ihre Gedankenstimme wissen. Und
dieser Tonfall! Elke hört sich an wie ein quengelndes Kind. Und das ist nicht
allein mein Eindruck. Sogar die wortkarge Wiebke Brügge hat gestern gesagt:
»Manchmal klingt unsere Reiseleiterin zickig.«
»Bevor
die Suppe aufgetragen wird«, sagte Elke, »möchte ich mit euch gemeinsam für
eine Minute Martha Stolzers gedenken.«
Als
sie sich erhoben, musste Olga Fannis Hand loslassen.
Fanni
warf einen kurzen Blick in die Runde und bekam Gisela ins Visier. Tränen liefen
über die Wangen von Marthas Schwägerin.
Auf
ihre Weise hat sie Martha gemocht!
Ja,
sie hat Martha wirklich gerngehabt, dachte Fanni. Sonst hätte sie nicht eine
Sekunde ihrer Zeit mit ihr verbracht. Nicht Gisela, die kennt da keine Gnade.
Aber die beiden waren nach Tonis Tod anscheinend mehrfach zusammen unterwegs
gewesen. Und als Gisela davon gehört hatte, dass Martha gemeinsam mit uns diese
Reise macht, wollte sie unbedingt auch dabei sein.
Fanni
spürte, dass Olga nach irgendetwas kramte.
Nach
einem Taschentuch vermutlich! Außer der Soziopathin Fanni Rot haben alle Tränen
in den Augen!
Jeder
musste Martha mögen, sinnierte Fanni. Vom ersten Augenblick an musste man sie
mögen, denn Martha war sympathisch, freundlich, liebenswert. Auch Olga hat sie
bestimmt sofort ins Herz geschlossen.
Sie
biss sich auf die Lippen.
Sind
sich Olga und Martha vor dieser gemeinsamen Reise wirklich nie über den Weg
gelaufen?
Fanni
schüttelte unmerklich den Kopf. Eher nicht. Nein, ganz bestimmt nicht. Als ich
Olga von unseren Reiseplänen erzählt habe und die Rede auf die Stolzers kam,
sagte sie, natürlich erinnere sie sich an all die Zeitungsberichte von vor zwei
Jahren, sie sei aber nie mit jemandem aus der Familie Stolzer zusammengetroffen.
Olga
wischte sich die Augen.
Fanni
biss sich die Lippe fast blutig und rief sich ihren jüngsten Aufenthalt in
Birkenweiler und den damit verbundenen Besuch auf dem Klein-Hof in Erinnerung,
um nicht daran denken zu müssen, dass Martha nicht mehr lebte.
Fanni
und Sprudel waren für fest eingeplante zwei Wochen nach Birkenweiler gereist,
weil Sprudel ab und zu nach seinem Anwesen dort sehen musste, das er von seiner
Familie mütterlicherseits geerbt hatte.
Schon
ab dem ersten Tag ihres Aufenthalts hatte Fanni beobachtet, wie Sprudel mit
gerunzelter Stirn im Haus herummarschierte, Wände beklopfte, Leitungen
inspizierte und eines sonnigen Nachmittags sogar aufs Dach stieg, um dort
weitere Betrachtungen vorzunehmen. Am Abend hatte er zu Fanni dann gesagt: »Das
Anwesen ist recht gut in Schuss …«, und war anschließend in Schweigen
verfallen.
Fanni
hatte ihn fragend angesehen, und Sprudel hatte bestätigend genickt. »Es ist
sehr gut in Schuss, und deshalb kann ich es Leni getrost überschreiben.«
»Bist
du verrückt?«, hatte Fanni gerufen.
Aber
Sprudel hatte nur lächelnd den Kopf geschüttelt und ihr erklärt, dass seinem
Vorhaben eine ganz einfache Rechnung zugrunde liege. »Du hast deine
Eigentumsrechte an dem Haus in Erlenweiler an Hans Rot verkauft – gut. Du
bestehst darauf, den Erlös dafür in die Finanzierung unseres gemeinsamen Lebens
zu investieren – schön. Du rätst mir ab, mein Anwesen zu verkaufen, weil
es schade drum wäre, wie du sagst, und weil wir das Geld, das wir dafür
bekommen würden, nicht brauchen – durchaus vernünftig.« Er hatte Fanni mit
ungewohnter Strenge angesehen. »Hast du mir zugehört? Wir brauchen das Geld
nicht! Und warum? Weil du genug einbringst! Und deshalb will ich das
Saller-Anwesen Leni überschreiben – vielleicht lässt sie uns ja ab und zu
hier wohnen.«
Fanni
hatte Sprudels
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