Eselsmilch
Beweggründe begriffen und musste seine Entscheidung folglich
akzeptieren.
Er
und Leni hatten sich von Anfang an gut verstanden. Im Gegensatz zu Leo und
Vera, die er nie persönlich kennengelernt hatte, war ihm Leni lieb geworden wie
eine eigene Tochter. Wem außer ihr also sollte er – der keine eigenen
Kinder, nicht mal nahe Verwandte hatte – seinen Besitz überlassen?
»Gut«,
hatte Fanni geantwortet. Ȇberschreib Leni das Anwesen. Aber weshalb muss das
solche Eile haben?«
Sprudel
hatte sehr ernst gewirkt, als er entgegnete: »Weil es nachlässig, ja geradezu
dumm ist, nicht einzukalkulieren, dass Unfälle geschehen, dass man einer
plötzlichen Krankheit, einem Gewaltverbrechen zum Opfer fallen kann. Wer würde
mich denn beerben, wenn ich heute sterbe? Der Staat? Die Kirche?«
Plötzlich
hatte er sich mit der flachen Hand gegen die Stirn geschlagen. »Um Himmels
willen, du würdest leer ausgehen, Fanni. Ich muss auf der Stelle ein Testament …«
Sprudel
hatte sich tatsächlich sofort hingesetzt und ein Testament verfasst, in dem er
Fanni als seine Alleinerbin bestimmte, was zur Folge hatte, dass nach Fannis
Tod ihre Kinder zu gleichen Teilen an jenem Erbe berechtigt waren.
Sprudel
wollte jedoch Leni bevorzugt wissen, und deshalb rief er gleich anschließend im
Notariat an, um die Überschreibung des Saller-Anwesens an sie in die Wege zu
leiten. Wegen der dazu nötigen Beratungen und Rücksprachen mit dem
Steuerberater hatte sich ihr Aufenthalt in Birkenweiler um eine Woche
verlängert.
Fanni
hatte die Zeit für einige Ausflüge auf den Klein-Hof genutzt. Und zufällig
hatte sie bei ihrem Abschiedsbesuch dort die bevorstehende Reise nach Marokko
erwähnt. Olga hatte nachgefragt und ganz glänzende Augen bekommen, sodass Fanni
auf einmal nicht mehr anders konnte, als zu sagen: »Komm doch mit, Olga. Soviel
ich weiß, sind noch Plätze frei.«
Sie
hatte Olga von Gisela und Martha Stolzer erzählt, die mit von der Partie sein
würden, und davon, dass laut Teilnehmerverzeichnis noch fünf weitere
Mitreisende aus Niederbayern dabei wären. »Ein Stückchen Heimat in der Ferne«,
hatte sie hinzugefügt und sich den Zusatz »falls jemand Wert darauf legt«
verkniffen.
Zu
guter Letzt hatte sie sich an Bauer Klein, an Bene und Ivo gewandt, die an
diesem Sonntagnachmittag bei Kaffee und Kuchen mit Fanni und Olga in der
Wohnstube am Tisch saßen. »Ihr kommt doch zwei Wochen ohne Olga aus?«
Ivo
hatte frenetisch genickt, und Fanni hatte ihm bewundernd zugelächelt, denn Ivo
war beinahe weise für seine gerade mal zehn Jahre. Fanni war sich sicher
gewesen, dass er alles tun würde, um seiner Mutter die Reise zu ermöglichen.
Bene
hatte ebenfalls genickt, wenn auch zögernd. Was hätte er auch anderes tun
sollen? Olgas Mann war es nicht gegeben, sich vorzustellen, wie es ohne Olga
sein würde. Bene konnte sich nur vergegenwärtigen, was er gerade sah, fühlte
und hörte. Zukünftige Situationen waren in seinem Hirn nicht visualisierbar.
Doch eines schien Fanni klar: Bene war daran gelegen, seiner Frau jeden Wunsch
zu erfüllen.
Zum
Schluss hatte Fanni den alten Bauer Klein erwartungsvoll angeschaut, der mit
finsterem Gesicht an der Stirnseite des Tisches saß. Aber er hatte beharrlich
geschwiegen und war schließlich in seiner Schlafkammer verschwunden.
Jetzt
hast du ihn vergrault!, hatte Fannis vorlaute Gedankenstimme gezetert. Nicht
einmal Fanni Rot darf Bauer Kleins Schwiegertochter zu einer Reise nach Afrika
beschwatzen! Nicht einmal Fanni Rot hat beim Bauern einen derart großen Stein
im Brett!
Beschämt
hatte Fanni ihren Kaffee ausgetrunken. War ihre Freundschaft mit Bauer Klein
jetzt ruiniert, war womöglich sogar die Harmonie in der Familie Klein zerstört?
Verzagt
hatte sie nach ausgleichenden Worten gesucht, als der Bauer forschen Schrittes
zurückkehrte. Aber er hatte sie nicht reden lassen, sondern ihr ein Bündel Geld
entgegengestreckt. »Melden Sie die Olga für die Reise an, Frau Fanni. Knausern
müssen Sie nicht dabei. Die Olga soll ein schönes Zimmer haben im Hotel und ein
Zelt für sich allein, wenn es schon so ein Bergabenteuer sein muss, und …«
Olga
war aufgesprungen und hatte ihm das Geldbündel entrissen, das die ganze Zeit
wie ein Lampion über dem Sonntagskuchen hing, weil Fanni gezögert hatte, danach
zu greifen. »Bauer, das kommt nicht in Frage, das Geld ist für …«
Eine
schroffe Geste Kleins hatte sie verstummen lassen. »Das Geld ist noch von
meiner Alten. Sie hat
Weitere Kostenlose Bücher