Esper in Aktion
»Laß ihn einsteigen, Jerry!«
Trotz seiner Zweifel öffnete Jerry die Tür und kletterte aus dem Wagen. Toby zwängte sich auf den Rücksitz.
»Danke!« sagte er.
Während Jerry den Wagen startete, drehte sich Sue zu Toby um. Ihre Augen leuchteten.
»Sie wissen es?« fragte Toby ruhig.
»Verdammt, wovon redet er denn?« fuhr Jerry auf. Er konnte seinen Ärger nicht mehr zurückdrängen.
Sues Züge hatten etwas Madonnenhaftes, als sie ihn ansah. »Laß nur, Jerry! Es ist alles in Ordnung. Er will sagen, daß ich mein Kind in dem Haus dort oben bekommen werde.«
»Aber du hast doch noch knappe zwei Monate Zeit!« widersprach er.
»Nun, vielleicht täuschen wir uns, und Sie haben recht!« Das Engelsgesicht strahlte Jerry an. »Aber Sie wollten doch ohnehin die anderen kennenlernen. Deswegen sind Sie hergekommen, oder?«
Jerry zuckte mit den Schultern und fuhr los.
16
Peter Moray blinzelte Toby gutmütig zu. »Du meldest dich bei Becky«, sagte er mit gespielter Strenge. »Sie hat dich schon überall gesucht.«
»Also dann – bis später.« Toby winkte Sue zu und verließ grinsend das Zimmer.
Peter sah ihm mit einem Kopfschütteln nach. »Unser größtes Genie, aber man darf ihn keine Sekunde aus den Augen lassen!« Er wandte sich an Sue und Jerry Coleman. »Wenn Sie bitte mitkommen wollen …«
Sie folgten ihm durch die Diele in einen geräumigen Salon, dessen Mittelpunkt ein eichenholzverkleideter offener Kamin von gewaltigen Ausmaßen war. Auch die Einrichtung bestand hauptsächlich aus Eiche. Moray deutete auf einen bequemen Brokatsessel.
»Bitte, nehmen Sie doch Platz, Mrs. Coleman!«
Sie kam der Aufforderung dankbar nach. Die Reise hatte sie überanstrengt, auch wenn sie es nicht zugeben wollte. Nicht einmal das warme Licht der Flammen konnte über ihre Blässe hinwegtäuschen.
Jerry musterte unauffällig ihren Gastgeber. Peter Moray war etwa so groß wie er selbst, aber kräftiger gebaut. Er trug einen braunen Rollkragenpullover und verknautschte dunkle Reithosen. Ein schlecht zusammengewachsener Nasenbeinbruch ließ sein Gesicht etwas schief erscheinen.
»Hoffentlich war Toby nicht allzu lästig«, meinte Moray. »Ich hatte keine Ahnung, daß er ein Einmann-Begrüßungskomitee plante.«
»Sie hatten uns also erwartet?« fragte Jerry.
»Toby erzählte uns, daß Sie heute kommen würden.«
»Aber woher wußte er das?«
Moray strich sich mit der klobigen Hand über das Kinn.
»Eine Art hellseherische Begabung … Aber das kann Ihnen Becky vermutlich besser erklären. Toby und Sid gehören gewissermaßen zu ihrem Aufgabenbereich. Bitte, Mister Coleman, setzen Sie sich doch – der Kaffee ist gleich fertig.«
Jerry nahm Sue gegenüber Platz. Trotz seines angeborenen Mißtrauens fiel es ihm schwer, in Moray eine Gefahr zu sehen. Er beschloß, offen mit dem jungen Mann zu reden.
»Sie wissen, weshalb ich hergekommen bin?« fragte er unvermittelt.
»Ein harmloser Tourist scheinen Sie jedenfalls nicht zu sein«, entgegnete Moray. »Wer hat Sie geschickt – Glo-ver?«
»Sie kennen den Namen?«
»Natürlich. Richard Havenlake hat ihn erwähnt.«
»Havenlake – ist er hier?«
Moray nickte. »Ja. Sie werden ihn und Becky Schofield später kennenlernen. Wir hielten es für besser, wenn zu Beginn nur einer von uns Ihre Fragen beantwortet.«
»Bedeutet das, daß Sie mir offen Auskunft über dieses Projekt hier geben wollen?«
»Ausflüchte hätten wenig Sinn«, meinte Moray. »Ich nenne Ihnen die Tatsachen, so gut ich sie weiß. Als Gegenleistung erwarte ich von Ihnen zumindest den Versuch, Ihre Vorurteile zu unterdrücken.«
»Vorurteile?«
»Es würde mich wundern, wenn Sie keine hätten«, erklärte Moray. »Wenn es um Esper geht, bleiben die wenigsten Menschen neutral. Schließlich steht die persönliche Freiheit auf dem Spiel.«
»Ja – ich verstehe, was Sie meinen«, sagte Jerry.
»Gut. Dann möchte ich zuallererst betonen, daß wir hier keine Sensationen verbergen, sondern ganz normale Forschung betreiben.«
»Eine Fortsetzung Ihrer Arbeit in Cambridge und Portfield?«
»Mehr oder weniger…«
»Also sagte Havenlake nicht die Wahrheit, als er Glover gegenüber von einer Sackgasse sprach?«
»Richard unterschätzte die Hartnäckigkeit Ihres Freundes«, erwiderte Moray. »Er hätte wissen müssen, daß ein Journalist von Glovers Format sich nicht mit Halbwahrheiten zufriedengeben würde.«
»Also machen auch Telepathen ihre Fehler?«
Moray lachte. Sicher – weshalb
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