Essays: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
Untertanen?
Meine zweite häusliche Epoche war, da ich Geld hatte. Nachdem ich dazu gelangt war, sparte ich sehr bald für meine Umstände einen ansehnlichen Notpfennig zusammen. Denn ich meinte, man habe noch wenig, solange man nicht mehr habe, als die laufenden Ausgaben erfordern, noch daß auf solche Einnahmen zu rechnen stünde, die erst künftig fallen, so ausgemacht sie übrigens auch sein möchten. Denn, sagte ich, wie nun, wenn mir dieser oder jener Zufall überkäme? Und zufolge dieser eiteln und törichten, Einbildungen tat ich dann sehr klügliche Vorkehrungen, durch mein unnützes Zurücklegen, gegen alle Zufälle; und konnte auch wohl jemandem, der mir zu Gemüt führen wollte, daß die Möglichkeit der Zufälle ins Unendliche ginge, antworten: wenn's dann auch nicht gegen alle zureichte, so würde es doch gegen einige und manche dienen. Dies Sparen ging nun nicht ohne viele Sorgen ab. Ich machte daraus ein Geheimnis, und so dreist ich oft bin, ein langes und breites von mir selbst zu schwätzen, so sprach ich doch von meinem Geld nicht anders als im Traum; wie diejenigen tun, welche sich arm träumen, wenn sie reich, und reich, wenn sie arm sind und ihr Gewissen von der Aufrichtigkeit freisprechen sich merken zu lassen, was sie eigentlich haben. Schändliche und lächerliche Vorsichtigkeit! Tat ich eine Reise, so meinte ich niemals Geld genug bei mir zu haben; und mit je mehr Geld ich mich beladen hatte, um so mehr hatte ich meine Furcht vermehrt: bald traute ich der Sicherheit der Heerstraßen nicht; bald nicht der Treue der Leute, welche mein Gepäck führten; und niemals war ich über meine Sachen ruhig (und ich kenne andre, denen es nicht besser geht), als wenn ich sie unter meinen eignen Augen hatte! Ließ ich meine Schatulle daheim, was setzte es da nicht für Argwohn und quälendes Mißtrauen, welches ich, was noch das ärgste war, mir nicht einmal merken lassen durfte! Nach dieser Seite hingen stets meine Gedanken. Alles genau berechnet, kostet es immer mehr Müh und Sorge, Geld zu bewahren als zu erwerben. Wenn ich eben nicht alles das tat, was ich hier sage, so kostete mich's doch Mühe, es zu unterlassen. Bequemlichkeiten schaffte ich mir davon wenig oder gar keine. Ich konnte nun meine Ausgaben ganz wohl bestreiten, aber sie gingen mir nicht williger aus der Hand. Denn wie Bion sagte, der Dickhaarige nimmt es ebenso übel, als der eine Glatze hat, wenn man ihm Haare ausrauft. Und hat man sich einmal dazu gewöhnt und seinen Sinn auf einen Geldhaufen gesetzt, so steht er nicht mehr zu unserm Dienst; man getraut sich nicht, ihn anzurühren. Es ist ein Gebäude, welches nach unserer Meinung zusammenstürzen würde, wenn man nur einen Finger daran legte. Die Not müßte einem an der Kehle packen, um ihn anzubrechen, und vorher versetzte ich meine Kleider und andre Sachen und verkaufte mein Reitpferd und ließ mir's weit weniger zu Herzen gehen als damals, wenn ich einen kleinen Griff in diesen Lieblingsbeutel tat, den ich beiseite gelegt hatte. Das Gefährlichste dabei aber war, daß man dieser Sucht schwerlich Grenzen setzen (sie sind immer bei Sachen, die man für gut hält, sehr schwer zu finden!) oder den rechten Punkt im Sparen treffen kann. Man geht stets darauf aus, den Haufen zu vergrößern, man trägt ein Sümmchen nach dem andern hinzu und versagt sich darüber wohl gar, niederträchtigerweise, den Genuß seines eignen Vermögens, oder man setzt diesen Genuß darin, ihn zu bewachen, nicht zu benutzen. Nach dieser Art des Genusses zu urteilen, sind die Menschen, welche amtshalber die Wälle und die Pforten einer begüterten Stadt bewachen, die reichsten von der Welt.
Jedermann, der viel bar Geld besitzt, ist nach meiner Meinung geizig. Plato ordnet die leiblichen oder menschlichen Güter folgender Gestalt: die Gesundheit, die Schönheit, die Leibesstärke, den Reichtum; und der Reichtum, sagt er, ist gar nicht blind, sondern sehr hellsehend, wenn er von der Klugheit erleuchtet wird. Dionysius der Jüngere, hatte einen guten Einfall. Man gab ihm Nachricht, daß ein Bürger seiner Stadt Syrakus einen Schatz in die Erde vergraben habe. Er ließ ihm befehlen, ihm diesen Schatz zu bringen; dies tat der Mann, behielt aber einen Teil davon heimlich für sich, womit er nach einer andern Stadt ging, woselbst er, da ihm die Lust am Sammeln vergangen war, ein gemächlicher Leben führte. Als Dionysius davon hörte, ließ er ihm das übrige seines Schatzes wieder zustellen und sagen: Weil er
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